Instanzenzug: S 24 SB 152/09
Gründe:
I
1Mit Urteil vom hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.
II
2Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
3Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wie sie die Klägerin hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
4Die Klägerin hält es für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Umstand, dass ein behinderter Mensch sich in Folge einer Erkrankung an der Speiseröhre nur unter erheblichen Schmerzen fortbewegen kann, die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigt.
5Abgesehen davon, dass diese Frage tatsächliche Einschätzungen und damit die tatrichterliche Beurteilung der Auswirkung von Gesundheitsstörungen betrifft und schon keine Rechtsfrage vorliegt, fehlt es auch an hinreichenden Ausführungen der Klägerin zur Klärungsbedürftigkeit der darin (vermeintlich) enthaltenen rechtlichen Fragestellungen. Die Klärungsbedürftigkeit einer Frage ist ua dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65) oder wenn sich für die Antwort in höchstrichterlichen Entscheidungen ausreichende Anhaltspunkte finden (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Die Klägerin hätte daher die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Frage unter Einbeziehung der vorhandenen Rechtsprechung des BSG näher begründen müssen. Dies hat sie versäumt. Zwar zitiert sie das - SozR 3-3870 § 60 Nr 2), behauptet aber lediglich, dass bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden sei, ob das Vorliegen einer Erkrankung der Speiseröhre, die zu erheblichen Schmerzen beim Gehen führt, mit einem der in der Versorgungsmedizin-Verordnung genannten Regelbeispiele in Teil D Ziff 1d vergleichbar sei. Eine solche Prüfung habe das LSG unter Anwendung des falschen Maßstabs unterlassen. Damit gibt die Klägerin aber zu erkennen, dass sie sich im Grunde gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG wendet. Auf eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das LSG kann allerdings eine Revisionszulassung nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
6Eine - wie vorliegend - behauptete Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend begründet, wenn schließlich erklärt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Aufzuzeigen ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
7Einen solchen ausdrücklichen, der Rechtsprechung des BSG widersprechenden Rechtssatz des LSG hat die Beschwerde nicht herausgearbeitet. Zwar führt sie aus, das LSG führe in seinem Urteil auf Seite 4 im 2. Absatz aus: "Indessen scheitert der Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens vorliegend bereits daran, dass die Klägerin die geforderte Wegstrecke von 2.000 m innerhalb des geforderten Zeitraumes von einer halben Stunde zurückgelegt hat; tatsächlich hat sie sogar weit mehr zurückgelegt, nämlich etwa 2.500 m in einer guten halben Stunde. ... Dies schließt gegenwärtig die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aus." Damit ist indes kein tragender Rechtssatz, sondern lediglich eine (behauptete) falsche Rechtsanwendung durch das LSG angesprochen. So führt die Klägerin im Folgenden selbst weiter aus, das LSG habe einen "falschen Maßstab" bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt, der insbesondere nicht der aktuellen Rechtsprechung des BSG entspreche, weil dieses in seiner Entscheidung vom (9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr 2) das Kriterium der Fähigkeit, eine bestimmte Wegstrecke innerhalb einer bestimmten Zeit zurücklegen zu können, fallengelassen habe (vgl aber - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Grunde behauptet die Klägerin nur, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewendet. Ein solcher Mangel stellt jedoch, auch wenn er vorläge, keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG dar (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Es ist nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde, ob das LSG richtig entschieden hat (s bereits oben; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Soweit die Klägerin im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl hierzu § 128 Abs 1 S 1 SGG) kritisiert, kann sie damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vorherein keine Revisionszulassung erreichen.
8Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
BAAAF-46400