Koalitionsvertrag | Entwurf vorgestellt
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP umfasst 124 Seiten und ist mit "Wachstum, Bildung, Zusammenhalt" überschrieben. Hinzu kommen 6 Seiten Präambel der selbsternannten "Koalition der Mitte" unter dem Motto "Mit Mut zur Zukunft - Für unser Land".
STEUERN: Die bereits im Gesetzblatt stehenden Maßnahmen (Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge und Einstieg in die Beseitigung der kalten Progression) führen Anfang 2010 bereits zu einer Steuerentlastung von rund 14 Milliarden Euro. Schwarz-Gelb plant darüber hinaus eine Steuerreform mit Entlastungen für untere und mittlere Einkommensbezieher sowie für Familien mit Kindern in einem Gesamtvolumen von 24 Mrd. Euro im Jahr. Der Kinderfreibetrag steigt Anfang 2010 auf 7008 Euro. Das Kindergeld wird um je 20 Euro erhöht. «Möglichst» zum soll der Einkommenssteuertarif in einen Stufentarif umgebaut werden. Zudem soll es «spürbare» Steuervereinfachungen geben. In einem Sofortprogramm sind eine Reihe steuerlicher Entlastungen für Unternehmen geplant. Das Beherbergungsgewerbe kann sich auf einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent Anfang 2010 einstellen. Ferner ist eine Reform der Erbschaftssteuer vorgesehen mit Verbesserungen für die Firmennachfolge sowie eine Senkung der Steuerbelastung für Geschwister und Geschwisterkinder.
FAMILIE: Eltern, die ihr Kleinkind nicht in einer Kita betreuen lassen, erhalten ab 2013 ein Betreuungsgeld von 150 Euro. Alle familienbezogenen Leistungen sollen bewertet werden, um sie wirksamer und effektiver zu gestalten. Leistungen im Unterhalts-, Steuer-, Sozial- und Familienrecht sollen «harmonisiert» werden.
BILDUNG: Unterstützt werden verbindliche und bundesweit vergleichbare Sprachtests für alle Kinder im Alter von vier Jahren und bei Bedarf eine verpflichtende Sprachförderung vor der Schule. Zur Bildungsfinanzierung soll jedes neu geborene Kind ein Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro erhalten, Einzahlungen bis zur Volljährigkeit werden mit Prämien unterstützt. Der Anteil von Stipendiaten soll von zwei auf zehn Prozent erhöht werden. Dazu ist ein nationales Stipendienprogramm geplant. Stipendien sollen einkommensunabhängig vergeben werden. Der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft wird fortgeführt.
RENTE: Erziehungsleistungen sollen bei der Rente besser berücksichtigt werden. Das Rentensystem in Ost und West wird noch in dieser Legislaturperiode vereinheitlicht.
GESUNDHEIT/PFLEGE: «Langfristig» wird das Ausgleichssystem in der Gesetzlichen Krankenversicherung in eine «Ordnung mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen» überführt. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren. Details soll eine Regierungskommission erarbeiten. In der Pflege soll eine interministerielle Arbeitsgruppe ein Konzept erstellen, um das Umlageverfahren durch eine «verpflichtende» Kapitaldeckung zu ergänzen.
VERBRAUCHER: Die Nährwertkennzeichung von Lebensmitteln soll transparenter werden, eine farbliche Ampel-Kennzeichnung wird es aber nicht geben. Zur Vermeidung von Gammelfleischskandalen werden Schlachtabfälle künftig eingefärbt. Geplant ist ferner ein zentrales Verbrauchertelefon mit Lotsenfunktion. Für die Verkehrsträger Bus, Bahn, Flug und Schiff soll es eine übergreifende Schlichtungsstelle geben. Im Finanzmarktsektor wird die Haftung für Produkte und Vertrieb verschärft. Geprüft wird die Einrichtung einer unabhängigen Stiftung Finanzprodukte nach dem Muster der Stiftung Warentest. Wichtig für Eigenheimbesitzer: Einer Abtretung von Darlehensforderungen oder Übertragung des Kreditverhältnisses an ein Unternehmen ohne Banklizenz muss vom Darlehensnehmer bewilligt werden. Die Bankenaufsicht wird bei der Bundesbank angesiedelt.
ARBEITSMARKT: Schwarz-Gelb steht zur Tarifautonomie. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn wird aber abgelehnt. Bestehende Mindestlohnregelungen werden bis Oktober 2011 neu bewertet und dann entschieden, ob sie weiter Bestand haben. Aufgaben und Strukturen der Bundesagentur für Arbeit werden einer «Aufgabenkritik» unterzogen. Ziel ist eine effektivere Vermittlung Arbeitsloser. Staatliche Anreize zur Frühverrentung werden beseitigt, die staatlich geförderte Altersteilzeit läuft somit Ende 2009 aus. Die Vielzahl der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen soll reduziert werden. Geprüft wird eine Erhöhung und Dynamisierung der Grenze von Mini-Jobs. Die Hinzuverdienstgrenzen für «Hartz IV»-Bezieher werden «deutlich» verbessert. Der Freibetrag für das Schonvermögen zur Altersvorsorge wird auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht.
ENERGIE/UMWELT: Schwarz-Gelb setzt sich für ein weltweites, anspruchsvolles Klimaschutzabkommen auf der Konferenz im Dezember in Kopenhagen ein. Die Koalition will die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen, zugleich Über- und Unterförderungen vermeiden. Bei der Solarenergie soll geprüft werden, mit welchen Maßnahmen «kurzfristig» Überförderungen bei der Photovoltaik beseitigt werden können. Schwarz-Gelb setzt auf hocheffiziente Kohlekraftwerke und steht zum Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau. Die Kernenergie wird als «Brückentechnologie» bezeichnet, bis erneuerbare Energien sie «verlässlich» ersetzen können. Bis dahin sollen die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke verlängert werden. Der «wesentliche Teil» der Zusatzgewinne soll an die öffentliche Hand fließen. Diese fördert daraus erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz. Das Moratorium zur Erkundung des Salzstocks Gorleben als Endlager soll «unverzüglich» aufgehoben werden. Die Endlager Asse II und Morsleben werden in zügigen und transparenten Verfahren geschlossen. Die Sicherheit von Mensch und Umwelt hat dabei höchste Priorität. Die Energieversorger werden an den Kosten zur Schließung der Asse beteiligt.
HAUSHALT: Die Koalition steht zur neuen Schuldenregel im Grundgesetz und hat eine Reihe «goldener Regeln» für den Haushalt aufgestellt. Alle staatlichen Aufgaben sollen überprüft, alle neuen finanzpolitischen Maßnahmen «grundsätzlich» vollständig, unmittelbar und dauerhaft im jeweiligen Etat gegenfinanziert werden. Das Ausgabenwachstum soll unter dem Wirtschaftswachstum liegen. Alle Maßnahmen des Vertrages stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Krisenbedingte Einnahmeausfälle in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung werden aus Steuermitteln aufgefangen. Das bisherige Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit wird in einen Zuschuss umgewandelt. Die Beteiligungen der öffentlichen Hand werden generell überprüft.
VERKEHR: Eine Erhöhung der Lkw-Maut wird abgelehnt, ebenso die Einführung von 60-Tonner-Lkw und ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen. Gesetzlich zugelassen werden soll der Buslinien-Fernverkehr. An der Privatisierung von Transport- und Logistiksparte der Deutschen Bahn hält Schwarz-Gelb fest, entscheidend ist die Lage am Kapitalmarkt.
AUSSENPOLITIK: Deutschland tritt für einen ständigen Sitz der EU im UN-Sicherheitsrat ein und bleibt bis dahin bereit, selbst einen ständigen Sitz zu übernehmen. Das Engagement in Afghanistan wird als «Aufgabe von besonderem nationalen Interesse» bezeichnet. Am Konzept der vernetzten Sicherheit wird festgehalten, die Hilfen beim Aufbau von Polizei und Armee in Afghanistan sollen «deutlich» verstärkt werden. Bei NATO und den USA will sich die Bundesregierung für einen Abzug der noch in Deutschland stationierten Atomwaffen einsetzen.
BUNDESWEHR: Ab soll der Wehrdienst auf sechs Monate reduziert werden. Bis Ende 2010 sollen Eckpunkte einer neuen Organisationsstruktur erarbeitet werden. Für traumatisierte Soldaten wird ein Trauma-Zentrum errichtet.
INNERE SICHERHEIT: Zur Bekämpfung von Jugendkriminalität ist ein Warnschussarrest geplant. Die Höchststrafe für Mord im Jugendstrafrecht wird auf 15 Jahre erhöht. Eine Visa-Warndatei soll Visa-Missbrauch vorbeugen. Im BKA-Gesetz soll verankert werden, dass Online-Durchsuchungen von einem Bundesrichter statt eines Amtsrichters angeordnet werden. Die Nutzung von gespeicherten Vorratsdaten von Handygesprächen soll es nur zur Abwehr besonders schwerer Straftaten geben. Außerdem sollten Internetseiten mit Kinderpornografie gelöscht, statt wie bisher gesperrt werden.
PRESSEFREIHEIT: Journalisten sollen sich künftig nicht mehr der Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses strafbar machen, wenn sie vertrauliche Informationen zugespielt bekommen. Der Beschlagnahmeschutz für Journalisten wird verbessert, diese wird es nur noch bei einem dringenden Tatverdacht gegen ihn möglich sein. Verbessert wird zudem der Schutz von Berufsgeheimnissen von Anwälten.
Quelle: ddp
Fundstelle(n):
YAAAF-46012