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Online-Nachricht - Mittwoch, 20.03.2013

Haftungsrecht | Notarhaftung bei Verbraucherverträgen (BGH)

Ein Notar verletzt seine Amtspflicht und muss Schadensersatz leisten, wenn er einen Verbrauchervertrag ohne sachlichen Grund vor Ablauf der gesetzlichen Regelfrist beurkundet und dem Verbraucher dadurch ein Schaden entsteht ().

Hintergrund: Bei Verbraucherverträgen soll der Notar darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen; bei Grundstückskaufverträgen (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) geschieht dies im Regelfall dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird (§ 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG). Ein Notar, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, muss diesem den daraus entstehenden Schaden ersetzen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BnotO).

Sachverhalt: Der auf Schadensersatz verklagte Notar hatte einen Kaufvertrag über zwei Eigentumswohnungen ohne Einhaltung der gesetzlichen Sollfrist beurkundet. Die klagenden Käufer hatten in einer schriftlichen Vorbemerkung zum Vertrag, die eine ausführliche Belehrung enthielt, es ausdrücklich abgelehnt, die Frist abzuwarten. Nach erfolgreicher Rückabwicklung des für sie nachteiligen Kaufvertrags verlangten sie vom Notar Ersatz ihres Schadens (Abstandszahlung, Rechtsanwalts- und Notarkosten). Damit hatten sie beim BGH Erfolg.



Hierzu führte das Gericht u.a. aus: Die Regelfrist von zwei Wochen steht nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten. Ein Abweichen davon kommt nur in Betracht, wenn im Einzelfall nachvollziehbare sachliche Gründe es rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte Schutzfrist zu verkürzen. Ist die Frist noch nicht abgelaufen und sind die Zwecke der Wartepflicht nicht anderweitig erfüllt, so muss der Notar die Beurkundung auch dann ablehnen, wenn diese von den Parteien gewünscht wird. Denn nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist der Schutzzweck des Gesetzes – nämlich den Verbraucher vor unüberlegtem Handeln zu schützen – regelmäßig nur dann erreicht, wenn dieser nach Mitteilung des Textes eine Überlegungsfrist von zwei Wochen hat. Diese Regelfrist kann nur im Einzelfall unterschritten werden; in Einzelfällen kann aber auch ein Überschreiten dieser Frist geboten sein.

Anmerkung: Mit dieser Entscheidung wird aus Gründen des Verbraucherschutzes die Privatautonomie weiter eingeschränkt. Selbst ausdrücklich belehrte Käufer haben es nunmehr nicht mehr in der Hand, einen Vertrag kurzfristig beurkunden zu lassen, obwohl der Gesetzestext als bloße Sollvorschrift dies nahelegt.

Quelle: NWB Datenbank


Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt Freiburg


 

Fundstelle(n):
VAAAF-45618