Einkommensteuer | Reichensteuer teilweise verfassungswidrig? (FG)
Der 1. Senat des FG Düsseldorf ist davon überzeugt, dass die Reichensteuer insoweit verfassungswidrig ist, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45% gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag) eingeführt hat. Aus diesem Grund hat er sich zur Klärung der Frage an das Bundesverfassungsgericht gewandt ().
Hintergrund: Die als „Reichensteuer“ bezeichnete Erhöhung der Einkommensteuer für besonders hohe Einkommen wurde im Koalitionsvertrag v. vereinbart und trat mit dem Steueränderungsgesetz 2007 zum in Kraft. Ab einem zu versteuernden Einkommen von derzeitig 250.731 € für Ledige bzw. ab 501.462 € bei Zusammenveranlagung beträgt der Spitzensteuersatz 45%. Dieser Steuersatz galt im Veranlagungszeitraum 2007 allerdings nicht für die Gewinneinkünfte. Diese Regelung wurde damit begründet, dass zum eine Unternehmenssteuerreform in Kraft trat (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG a.F., § 32 c EStG a.F.).
Sachverhalt: Der Kläger ist Arbeitnehmer und bezog im Streitjahr 2007 ein Gehalt von mehr als 1,5 Mio. €. Das Finanzamt unterwarf daher diese Einkünfte dem geltenden Spitzensteuersatz von 45%. Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer und berief sich auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, da selbständige Unternehmer und Freiberufler, die gleich hohe Einkünfte erzielten, hingegen nur einem Höchststeuersatz von 42% unterlägen.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG a.F. i. V. m. § 32c EStG a.F. verstoßen nach der Überzeugung des Senats gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, da diese Regelungen in ihrem Zusammenspiel bewirken, dass die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45% im VZ 2007 nur die Überschusseinkünfte betrifft, während die Gewinneinkünfte hiervon ausgenommen werden.
Eine verfassungskonforme Auslegung der Regelungen dahingehend, dass Bezieher von Gewinneinkünften einerseits und Bezieher von Überschusseinkünften andererseits unterschiedlichen Tarifverläufen unterliegen, ist nicht möglich.
Im Streitfall scheitert die verfassungskonforme Auslegung an dem klaren gesetzgeberischen Willen, Gewinneinkünfte von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes um 3 Prozentpunkte auszunehmen, weil diese mit einem spezifisch unternehmerischen Risiko behaftet seien (vgl. BT-Drucksache 16/1545, S. 15).
Anmerkung: Der Vorsitzende des 1. Senats, Berthold Meyer, führt dazu klarstellend aus: „Keinesfalls hält das Gericht den Spitzensteuersatz oder gar den Einkommensteuertarif insgesamt für verfassungswidrig. Denn bei der Ausgestaltung des Steuersatzes kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Vor dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes lässt es sich aber nicht rechtfertigen, dass nur eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen – hier im Wesentlichen Arbeitnehmer sowie die Bezieher von Miet- und Zinseinkünften – in 2007 der sogenannten Reichensteuer unterworfen werden, andere Steuerpflichtige wie Unternehmer und Freiberufler hingegen nicht. Dabei ist zu berücksichtigen,“ so führt Meyer weiter aus, “dass sich die Entscheidung des Gerichts und damit die verfassungsrechtlichen Zweifel nur auf das Jahr 2007 beziehen. Mit dem Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform im Jahr 2008 unterfallen alle Steuerpflichtigen, egal welche Einkünfte sie erzielen, bei hohem Einkommen dem Steuersatz von 45%.“
Quelle: FG Düsseldorf online
Hinweis: Nunmehr ist es Aufgabe des BVerfG, über die Verfassungsmäßigkeit der „Reichensteuer“ im Jahr 2007 zu entscheiden. Dort wird aller Voraussicht nach der Zweite Senat für das Verfahren zuständig sein. Sollte die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht gegeben sein, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine für die Kläger des Ausgangsverfahrens günstige Regelung schafft und etwa zu einem einheitlichen Spitzensteuersatz von 42% zurückkehrt. Liegt ein Gleichheitsverstoß vor hat der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit jedoch verschiedene Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. In diesem Fall müsste das Klageverfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden. Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Fundstelle(n):
VAAAF-45511