Gesellschaftsrecht | Erstattung des Vorsteuerüberschusses innerhalb einer Organschaft (BGH)
Die umsatzsteuerrechtliche Zuweisung des Vorsteuerabzugsrechts an den Organträger ist lediglich formeller, der Abwicklung des Steuerschuldverhältnisses dienender Natur. Der Organträger ist der Organgesellschaft im Innenverhältnis zum Ausgleich der Vorsteuerabzugsbeträge verpflichtet, die auf Leistungsbezüge der Organgesellschaft entfallen und die lediglich infolge der umsatzsteuerlichen Organschaft dem Organträger zu Gute gekommen sind ().
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG). Liegt eine Organschaft vor, sind die untergeordneten juristischen Personen (Organgesellschaften, Tochtergesellschaften) für Zwecke der Umsatzsteuer als unselbständig anzusehen. Als Unternehmer und Steuerschuldner gilt (nur) der Organträger. Der Vorsteuerabzug bzw. die Verpflichtung zur Anmeldung der Umsätze fällt daher alleine dem Organträger zu.
Sachverhalt: Die klagende Aktiengesellschaft (AG) war für ca. ein halbes Jahr in einer umsatzsteuerlichen Organschaft in das Unternehmen der Beklagten als Organträgerin eingegliedert. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag bestand nicht. Die AG teilte der Beklagten monatlich die auf die von ihr ausgeführten Lieferungen und Leistungen angefallene Umsatzsteuer sowie die Vorsteuerbeträge für die an sie erbrachten Lieferungen und Leistungen anderer Unternehmer mit. Insgesamt ergab sich dabei ein erheblicher Vorsteuerüberschuss. Die AG verlangt von der Beklagten die Erstattung des Vorsteuerüberschusses nebst Zinsen.
Hierzu führte der BGH u.a. aus:
Die haftungsrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (§ 73 AO) behandeln den Organkreis als einheitliches Ganzes. Der Organträger als Steuerschuldner und die nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden dabei - obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt - im Hinblick auf § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt.
Ein eventueller Innenausgleich ist daher entsprechend § 426 BGB vorzunehmen. Hierbei gilt im Grundsatz, dass derjenige, aus dessen Umsätzen die an das Finanzamt gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis der Organschaft auch die Steuerlast zu tragen hat.
Entsprechend ist beim Ausgleich von Vorsteuerabzügen zu verfahren. Die (materielle) Interessenlage im Innenverhältnis der Parteien mit einem formal berechtigten Organträger und einer materiell berechtigten Organgesellschaft entspricht der von Gesamtgläubigern (§ 430 BGB).
Im Umsatzsteuerrecht gilt der Grundsatz der Belastungsneutralität. Die Zurechnung von Umsätzen bzw. Vorsteuervergütungsansprüchen der Organgesellschaften an den Organträger ohne zivilrechtlichen Innenausgleich widerspräche diesem Grundsatz, weil er zu erheblichen Vermögensverschiebungen zwischen den am Organkreis beteiligten Rechtsträgern führen würde.
Anmerkung: Ob sich die Parteien im Streitfall darauf verständigt haben, dass die Wirkungen der Organschaft bei der Beklagten unausgeglichen bleiben sollten, konnte nach Ansicht des BGH offen bleiben, da eine solche rechtsgeschäftliche Verständigung mangels Nachteilsausgleichs gem. § 311 Abs. 1, § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG unwirksam wäre.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
OAAAF-45509