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Online-Nachricht - Montag, 25.02.2013

Berufsunfähigkeitsversicherung | Folgen falsch beantworteter Gesundheitsfragen (OLG)

Ein Berufsunfähigkeitsversicherer kann aufgrund falsch beantworteter Gesundheitsfragen den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Arglist erfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss ().

Hintergrund: Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies gilt nach § 22 VVG auch bei Abschluss eines Versicherungsvertrages.
Sachverhalt: Der Kläger, von Beruf Bauschlosser und Lagerarbeiter, schloss im Januar 2001 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Auf die Gesundheitsfrage im Antragsformular, ob er in den letzten 10 Jahren an Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, antwortete er mit „Nein“. Auf die Frage nach Arztbesuchen gab er für den Januar 2001 „Angina“ und den Arzt an. Tatsächlich war der Kläger in dem nachgefragten Zeitraum arbeitsunfähig 1994 4 Tage wegen Schulterbeschwerden und eines Überlastungssyndroms und 3 Tage wegen Konjunktivitis, 1996 13 Tage wegen einer Hämorrhoidalthrombose, 1997 insgesamt 8 Tage wegen Lumbago, 1998 34 Tage wegen einer Analthrombose mit einer Öffnung und einem ambulanten Schnitt, 1999 26 Tage wegen einer Perianalvenenthrombose mit späterer Perforation, eines Perianalekzems und Hämorrhoiden. 2011 hat der Kläger Leistungen wegen Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf „Rückenprobleme (Bandscheibe)“ beantragt. Bei ihren Erkundigungen erfuhr die Versicherung von den Vorerkrankungen und hat deshalb die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.
Hierzu führte das OLG weiter aus:

  • Der Kläger kann keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen, weil die Anfechtung der Berufsunfähigkeitsversicherung wirksam war.

  • Von einem arglistigen Verhalten ist schon auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde.

  • Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lässt. Das gilt auch, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden.

Anmerkung: Hinsichtlich der Bindehautentzündung, die fast 7 Jahre zurücklag, erschien dem Gericht die Einlassung des Klägers, dass er diese für unerheblich gehalten habe, noch verständlich. Für die Schulter- und Rückenbeschwerden sei ein Grund für die Nichtangabe aber nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger mag die Beschwerden für sich genommen nicht für sehr bedeutsam und für eine Folge berufsbedingter Überlastung angesehen haben; bei mehrfachem Auftreten hätte sich ihm aber die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass derartig überlastungsbedingte Beschwerden für den Versicherer erheblich sind. Für seine Arglist sprach nach Ansicht des Gerichts aber in erster Linie, dass der Kläger die Thromboseerkrankungen verschwiegen hat, bei denen zweimal eine längere Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist und die bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen. Die Berufsunfähigkeitsversicherung hätte bei Kenntnis dieser Vorerkrankungen den Versicherungsantrag nicht angenommen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Quelle: OLG Karlsruhe, Pressemitteilung v.
 

 

Fundstelle(n):
WAAAF-45486