Einkommensteuer | Standby-Zimmer eines Piloten als Wohnsitz (FG)
Ein sog. Standby-Zimmer eines Piloten ist regelmäßig nicht als Wohnsitz i.S. des § 8 AO anzusehen, wenn sich die Nutzung auf das reine Übernachten beschränkt. Die Ausstattung und die Art der tatsächlichen Nutzung sind geeignete Kriterien um zu beurteilen, ob die Wohnung lediglich zum Übernachten dient oder ob sie die darüber hinausgehende Funktion des Wohnens erfüllt (; Revision zugelassen).
Hintergrund: Ein Wohnsitz besteht dort, wo jemand eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend sind der objektive Zustand, das Innehaben einer Wohnung und die Umstände, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Unter einer Wohnung sind Räumlichkeiten zu verstehen, die objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt sind. Sie müssen eine selbstständige Lebensführung ermöglichen, also so ausgestattet sein, dass sie ihren Bewohnern eine dauerhafte Bleibe bieten. Eine abgeschlossene Wohnung i. S. des BewG ist nicht erforderlich. Das Innehaben setzt voraus, dass er über die Wohnung jederzeit tatsächlich verfügen kann und er sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch in größeren Zeitabständen, aufsucht. Eine Mindestzahl an Aufenthaltstagen im Jahr ist insoweit nicht erforderlich; die Nutzung der Wohnung muss jedoch zu Wohnzwecken erfolgen.
Sachverhalt: Der Kläger – ein Pilot – verbrachte – ebenso wie zwei andere Piloten – in einem ca. 12-15 qm großes „Standby-Zimmer” in der Keller-Etage des Hauses der Familie S bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland monatlich im Durchschnitt bis zu drei Nächte. Das Bad befand sich gleichfalls in der Keller-Etage und wurde neben den drei Piloten auch von den Angehörigen der Familie S genutzt. Das Zimmer war von den Piloten mit einem doppelstöckigen Bett, einer Couch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch möbliert worden. Zur Ausstattung gehörte ein Fernseher, jedoch weder eine Kochgelegenheit noch ein Kühlschrank. Ein schriftlicher Mietvertrag existierte nicht. Alle verfügten jeweils über einen Haustürschlüssel, aber nur einer verfügte über den Zimmerschlüssel. Sowohl die Tür zwischen Kellerbereich und Treppenhaus als auch die des „Standby-Zimmers” waren stets unverschlossen. Das Zimmer wurde gelegentlich auch für Familien- und Gästebesuche der Familie S genutzt. Als Miete zahlte der Kläger jeweils 50 € im Monat; wobei die Heiz- und sonstigen Nebenkosten vom Vermieter getragen wurden. Die Reinigung des Zimmers erfolgte durch die Vermieter. Entgegen der Ansicht des Finanzamts sah das Finanzgericht in der Anmietung und Nutzung dieses Zimmers durch den Kläger keinen inländischen Wohnsitz des Klägers begründet.
Hierzu führte das Gericht aus: Das Zimmer sei zwar objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet gewesen. Der Kläger habe aber nicht jederzeit über die Wohnung verfügen können. Dabei sei der Umstand von Bedeutung, dass das Zimmer im maßgeblichen Zeitraum mindestens in zwei Fällen von Gästen der Familie S zu Übernachtungszwecken genutzt worden sei. Da die drei Piloten das „Standby-Zimmer” zu dieser Zeit nicht benötigten, habe es tatsächlich keinen Konflikt hinsichtlich der Nutzung des Zimmers gegeben. Da § 8 AO eine abstrakte Verfügungsmöglichkeit über die Wohnung voraussetze, sei es für die Beurteilung des Streitfalls aber von Interesse, ob die Piloten im Konfliktfall ein Recht auf die Nutzung des Zimmers gehabt hätten. Daneben fehle es zudem an einer tatsächlichen Nutzung des „Standby-Zimmers” zu Wohnzwecken. Da schon begrifflich „wohnen” mehr als nur „übernachten” sei, könne von einer Nutzung zu Wohnzwecken nicht ausgegangen werden, wenn sich die Nutzung der Wohnung auf das reine Übernachten beschränke.
Anmerkung: In einem anderen Fall hatte das FG Hessen bereits mit Urteil v. - NWB XAAAD-62548 rechtskräftig entschieden, dass eine sog. "Standby-Wohnung" einer ansonsten im Ausland lebenden Flugbegleiterin zu unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland führen kann. Das Gericht hat in dem o. g. Verfahren die Revision zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe und eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich sei. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei diesem Verfahren um eines von drei Musterverfahren handelt, deren Ausgang für eine Vielzahl anderer bei den Finanzämtern anhängiger (ruhender) Verfahren, denen ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, von Bedeutung sei.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
QAAAF-44519