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Online-Nachricht - Montag, 09.07.2012

Einkommensteuer | Fristverlängerung bei Steuerfall mit hoher Abschlusszahlung (FG)

Ergibt sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen VZ eine hohe Abschlusszahlung, ist das Finanzamt (FA) im Regelfall gehalten, die Steuererklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Fristen anzufordern. Eine Abschlusszahlung bei der ESt berechtigt das FA, auch zur termingebundenen Abgabe der USt- und GewSt-Erklärung aufzufordern ().

Hintergrund: Über die Steuererklärungsfristen ergehen jährlich gleich lautende Erlasse (z.B. NWB DAAAD-99577). Dadurch erlassen die obersten Finanzbehörden in Ausfüllung des ihnen zustehenden Ermessensspielraums Richtlinien für die Gewährung von Verlängerungen hinsichtlich der Abgabefristen für Steuererklärungen. Sofern die Steuererklärung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Beruf angefertigt wird, wird die Frist nach Abschnitt II. Abs. 1 vorbehaltlich des Abs. 2 allgemein bis zum bzw. 2012 verlängert. Abs. 2 lautet: „Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn  sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat oder hohe Abschlusszahlungen erwartet werden.“
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus: Während Abschnitt II. Abs. 2 Satz 1 den Finanzbehörden allgemein die Befugnis einräumt, Steuererklärungen vor Ablauf der generell verlängerten Frist anzufordern, sind in Satz 2 Fälle aufgezählt, in denen die Behörden den Steuerpflichtigen zur termingebundenen Abgabe auffordern „sollen”. Als Soll-Vorschrift bringt Satz 2 zum Ausdruck, dass die Finanzbehörde in den genannten Fällen grds. eine Fristverkürzung anordnen muss. Nur in atypischen Fällen darf von der Richtlinie abgewichen werden. Ob ein atypischer Fall vorliegt, ist am Zweck der Verwaltungsvorschrift zu beurteilen. Im Streitfall hatte das FA für die Einkommensteuererklärung die durch Abschnitt II. Abs. 2 Satz 2 intendierte Ermessensentscheidung zu treffen. Denn aus dem Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 ergab sich eine Einkommensteuernachzahlung von mehr als 26.000 Euro. Hierbei handelt es sich um eine „hohe Abschlusszahlung” i.S. des Abschnitts II. Abs. 2 Satz 2 3. Spiegelstrich. Anhaltspunkte dafür, dass im Lichte des Richtlinienzwecks ein atypischer Fall vorliegt, ergeben sich nicht. Das FA war also im Hinblick auf die Einkommensteuererklärung 2011 gehalten, die durch Verwaltungsvorschrift allgemein gewährte Fristverlängerung unter Beachtung des Richtlinienzwecks zu verkürzen.
Anmerkung: Etwas anderes ergab sich im Streitfall auch nicht aus dem Urteil des FG Düsseldorf (Az. NWB XAAAD-92567). Dort hatte die Finanzbehörde die Vorabanforderung der Steuererklärung im Wesentlichen mit hohen Einkünften des Steuerpflichtigen und der Anwendung des Spitzensteuersatzes begründet. Das Finanzamt hatte dabei nicht hinreichend klar und nachprüfbar dargelegt, dass sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hatte oder dass mit hohen Abschlusszahlungen zu rechnen ist (vgl. hierzu auch Groos/Groos in NWB ZAAAD-87631). Anders - so das Finanzgericht - verhalte es sich jedoch im Streitfall. Denn das FA habe zumindest in der Einspruchsentscheidung nachvollziehbar dargelegt, dass die Aufforderung zur termingebundenen Abgabe der Steuererklärungen auf der Abschlusszahlung für Einkommensteuer 2010 (vorangegangener Veranlagungszeitraum) beruhe.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Das Niedersächsische Finanzgericht wies in seinen Entscheidungsgründen aber auch darauf hin, dass es die vom FG Düsseldorf vertretene Ansicht grds. teile, dass allein hohe Einkünfte und die Anwendung des Spitzensteuersatzes eine vorzeitige Anforderung der Steuererklärungen nicht zu rechtfertigen vermögen. Wäre dies der Fall, könnten die Finanzbehörden für alle Steuerpflichtigen, auf die diese Merkmale zutreffen und die steuerlich beraten sind, von der allgemeinen Fristverlängerung abweichende Erklärungsfristen anordnen. Dies wäre jedoch mit dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ebenso wenig wie mit den berechtigten Interessen der Angehörigen der steuerberatenden Berufe vereinbar, so das Finanzgericht. Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, dass das FA für jedes Steuerjahr zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe der Steuererklärungen gegeben sind. Aus der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist also nicht abzuleiten, dass das FA ohne Weiteres auch die Steuererklärungen für die Folgejahre vorzeitig anfordern darf.
 


 

Fundstelle(n):
KAAAF-44291