Einkommensteuer | Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer (BFH)
Übt der Steuerpflichtige mehrere unterschiedliche Tätigkeiten aus (hier: u.a. schriftstellerische und rechtsberatende Tätigkeit), ist zwar nicht erforderlich, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt "jedweder" oder "einer jeden einzelnen Tätigkeit" bilden muss. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen Tätigkeit, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln (, NV; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).
Sachverhalt: Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer unbegrenzt als Betriebsausgaben abziehen kann. Der als Rechtsbeistand zugelassene Kläger erzielte neben Versorgungsbezügen als pensionierter Beamter unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Dozent sowie aus einer schriftstellerischen und beratenden Tätigkeit. Er betrieb seine Kanzlei (als Rechtsbeistand) in seinem häuslichen Arbeitszimmer, in dem er auch seine schriftstellerische und beratende Tätigkeit ausübte, sich auf Lehr- und Vortragsveranstaltungen vorbereitete sowie darauf bezogene Lehrgangs- und Unterrichtsmaterialien erstellte und aktualisierte. Darüber hinaus nutzte er das Arbeitszimmer zur Fortbildung durch Lektüre abonnierter Fachzeitschriften, zur Aktualisierung von Loseblattsammlungen sowie zur Aufbewahrung und Verwaltung seiner Akten.
Hierzu führte der BFH weiter aus: Fehlt für die Feststellung einer Haupttätigkeit eine insoweit indizielle nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung auf Grund privat- oder öffentlich-rechtlicher Arbeits- oder Dienstverhältnisse, so ist in Zweifelsfällen zur Feststellung der Haupttätigkeit auf die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und den auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallenden Zeitaufwand abzustellen. Im Streitfall ist dabei zu berücksichtigen, dass der Mittelpunkt von Vortrags- und Lehrtätigkeiten an den jeweiligen Veranstaltungsorten und nicht in den jeweiligen häuslichen Arbeitszimmern der Vortragenden oder Lehrenden liegt, selbst wenn dort ein erheblicher Teil der Vorbereitungsarbeiten zu leisten ist. Das gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige anlässlich von Seminaren im Wesentlichen organisatorische und moderierende Funktionen ausübt. Die im Arbeitszimmer ausgeübten sonstigen Tätigkeiten (Autoren- und Rechtsberatungstätigkeit) waren im Streitfall nach ihrem Anteil an den Gesamteinnahmen als nicht geeignet anzusehen, den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bilden zu können.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Bei der der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung sind Einkünfte des Steuerpflichtigen, denen keinerlei aktive Tätigkeit zugrunde liegt, nicht zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für Alterseinkünfte wie Pensionen oder Renten. Dies hat das FG Niedersachsen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil klargestellt (vgl. hierzu NWB SAAAE-01502; BFH-Az: VIII R 3/12; sowie NWB-Nachricht v. 23.1.2012).
Fundstelle(n):
JAAAF-44102