Umsatzsteuer | Zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer (EuGH)
Es ist einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn der Steuerschuldner auch der zum Abzug Berechtigte ist (; Société Veleclair).
Hintergrund: Ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht nach Europarecht u.a. für die Mehrwertsteuer, die für eingeführte Gegenstände im Inland „geschuldet wird oder entrichtet worden ist“ (Art. 17 Abs. 2 Buchst. b RL 77/388/EWG bzw. Art. 168 MwStSyStRL). Der EuGH musste prüfen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie es einem Mitgliedstaat erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer von der tatsächlichen Zahlung der Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn der Steuerschuldner und der Vorsteuerabzugsberechtigte, wie in Frankreich, ein und dieselbe Person sind.
Sachverhalt: Die Klägerin führte in den Jahren 1992 bis 1995 Fahrräder aus Drittstaaten in die EU ein. Da die Zollverwaltung die Herkunftsangabe der Fahrräder für nicht zutreffend hielt, erlegte sie der Klägerin nachträglich zusätzlichen Zoll sowie darauf entfallende EUSt für die Einfuhr auf. Die Klägerin zahlte diese EUSt nicht. Da über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist die EUSt-Forderung des Fiskus nicht mehr durchsetzbar, weil sie nicht rechtzeitig angemeldet wurde. Die Klägerin beantragte gleichwohl die Erstattung der EUSt als Vorsteuer. Die französische Steuerverwaltung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Vorsteuerabzug für die bei der Einfuhr anfallende EUSt voraussetze, dass diese auch bezahlt wurde.
Hierzu führte der EuGH weiter aus: Der Steuerpflichtige ist nach dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie befugt, die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für eingeführte Gegenstände „geschuldet wird oder entrichtet worden ist“. Der Begriff „geschuldet“ bezieht sich auf eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld und setzt somit voraus, dass der Steuerpflichtige zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags, den er als Vorsteuer abziehen möchte, verpflichtet ist. Der Unionsgesetzgeber hätte, wenn er das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner hätte abhängig machen wollen, dies explizit dadurch tun können, dass er beispielsweise in Art. 17 den Begriff „geschuldet“ weggelassen hätte. Des Weiteren ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie, dass das Recht auf Mehrwertsteuerabzug unabhängig davon entsteht, ob die für den oder die eingeführten Gegenstände geschuldete Gegenleistung gezahlt worden ist. Folglich kann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer grds. nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese Mehrwertsteuer zuvor tatsächlich gezahlt worden ist.
Quelle: EuGH online
Hinweis: Auch nach nationaler deutscher Auffassung ist die tatsächliche Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer grds. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG; Abschn. 15.8 UStAE).
Fundstelle(n):
IAAAF-43742