Verfahrensrecht | Terminsaufhebung wegen zahnärztlicher Notfallbehandlung (BFH)
Ein Gerichtstermin muss zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs aufgehoben oder verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Aufhebung oder Verlegung des Termins verzögert wird (, NV; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht.
Sachverhalt: Im Streitfall hatte es der Kläger trotz mehrfacher Fristverlängerung versäumt, erforderliche Unterlagen dem FA und später, im gerichtlichen Verfahren, dem FG vorzulegen. Aufgrund Terminsbestimmung vom wurde er zur mündlichen Verhandlung am geladen. An diesem Tag ging um 09:23 Uhr beim FG ein von der Ehefrau des Klägers unterschriebenes Telefax ein, in dem sie im Namen und Auftrag des Klägers mitteilte, dass dieser derzeit "zur zahnärztlichen Notfallbehandlung abwesend" sei und eine "entsprechende ärztliche Bescheinigung schnellstmöglich nachgereicht" werde. Gleichzeitig wurde beantragt, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Das FG antwortete per Fax, dass eine Verlegung des Termins nur in Betracht komme, wenn bis 10:00 Uhr ein ärztliches Attest vorliege, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit und die Gründe hierfür im Einzelnen ergäben. Die mündliche Verhandlung wurde sodann in Abwesenheit des nicht vertretenen Klägers durchgeführt und die Klage mit um 10:40 Uhr verkündetem Urteil abgewiesen. Die zahnärztliche Bescheinigung, nach der der Kläger "aufgrund einer kurzfristigen und aufwendigen kieferchirurgischen Maßnahme den Gerichtstermin nicht wahrnehmen konnte“, erreichte das Gericht um 12:51 Uhr. Der Kläger macht mit seiner Beschwerde geltend, das FG sei verpflichtet gewesen, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen - zu Recht, wie der BFH befand.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus: Das FG hat dem Kläger durch die Nichtaufhebung bzw. Nichtverlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör versagt. Eine kurzfristige, überraschende Erkrankung eines nicht vertretenen Klägers, die dessen Erscheinen zum Verhandlungstermin entgegensteht, ist regelmäßig ein erheblicher Grund für eine Änderung des Termins. Allerdings ist das FG nicht verpflichtet, einem Antrag auf Terminsverlegung "in letzter Minute" stattzugeben, wenn die Gründe für die Terminsverlegung nicht ausreichend dargelegt und mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden. Ob dies der Fall ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Vorliegend hatte die Ehefrau des Klägers das FG vor Beginn der Sitzung über eine gegenwärtige zahnärztliche Notfallbehandlung des Klägers informiert und die "schnellstmögliche" Nachreichung einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung angekündigt. Es gab keine objektiven Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Darstellung. Das FG war zwar grundsätzlich berechtigt, vom Kläger die Glaubhaftmachung der geltend gemachten erheblichen Gründe für die Aufhebung bzw. Verlegung des Termins zu verlangen. Dementsprechend hat das FG den Kläger aufgefordert, binnen 15 Minuten ein entsprechendes Attest vorzulegen. Es musste aber damit rechnen, dass der Kläger, der sich in ärztlicher Notfallbehandlung befand, dem nicht würde nachkommen können. Jedenfalls bestand - und das ist im Streitfall entscheidend - kein Grund, das Urteil bereits am Sitzungstag um 10:40 Uhr - vor dem Eingang des angekündigten Attests - zu verkünden.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
CAAAF-43689