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Online-Nachricht - Mittwoch, 22.02.2012

Einkommensteuer | Beiträge zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung bis zum VZ 2009 (BFH)

Die durch das BVerfG mit Wirkung bis zum ausgesprochene Anordnung der Weitergeltung der für mit dem GG unvereinbar erklärten Regelungen über die Abziehbarkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung ist weder verfassungswidrig noch liegt darin ein Verstoß gegen die EMRK. Es besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung einkommensteuerlich in voller Höhe oder zumindest im Wege eines negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach Ansicht des BVerfG schützt das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums nicht nur das so genannte sächliche Existenzminimum, sondern auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall, soweit diese existenznotwendig sind. Das BVerfG hat den Gesetzgeber daher verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum eine Neuregelung zu treffen, die auch die gesetzlich kranken- und Pflege-Pflichtversicherten Steuerpflichtigen einbezieht. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb die jeweilige Fassungen des § 10 Abs. 3 EStG weiter anwendbar (vgl. , 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05).
Sachverhalt: Die Kläger begehren für die Streitjahre 1993 bis 1999 die Beiträge zur Krankenversicherung und an die Bundesanstalt für Arbeit in voller Höhe als Sonderausgaben abzuziehen, hilfsweise, die Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Sie sind der Auffassung, die im Beschluss des BVerfG ausgesprochene Weitergeltungsanordnung hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung verletze ihrerseits Verfassungsrecht. Ferner verletze die Weitergeltungsanordnung auch die Art. 5, 6, 8 und 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).
Hierzu führte der BFH weiter aus: Die Weitergeltungsanordnung des BVerfG ist für den Senat bindend, weil sie mit Gesetzeskraft versehen ist (§ 31 Abs. 2 BVerfGG); sie ist ihrerseits weder verfassungswidrig noch verstößt sie gegen Regelungen der EMRK. Hinsichtlich der Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit (heute: Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit) ist weder ein Sonderausgabenabzug in voller Höhe noch eine Berücksichtigung im Wege des negativen Progressionsvorbehalts verfassungsrechtlich geboten.
Quelle: BFH online
Anmerkung: Derzeit sind beim EGMR mehrere Verfahren zum nationalen deutschen Steuerrecht anhängig. Durch den EGMR geprüft werden soll u.a. die im o.g. Verfahren bertoffene pro-futuro-Rechtsprechung des BVerfG zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen  (EGMR; Beschwerde-Nr. 2795/10). Eine Aussetzung des Verfahrens in analoger Anwendung des § 74 FGO kam für den BFH im Streitfall jedoch nicht in Betracht. Allein der Umstand, dass gegen bestimmte Entscheidungen des BFH Verfassungsbeschwerden eingelegt worden sind, begründe noch kein überwiegendes Interesse an der Aussetzung. Gleiches gelte für den Umstand, dass gegen eine Entscheidung des BVerfG eine Beschwerde beim EGMR eingelegt worden sei. In Bezug auf das beim EGMR anhängige Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidungsbefugnis des EGMR nicht so weit reiche wie die des BVerfG. Das BVerfG könne auch im Verfahren der Urteilsverfassungsbeschwerde ein Gesetz, auf dem die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung beruht, für nichtig erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Diese Nichtigkeitserklärung habe Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) und wirke damit unmittelbar für und gegen alle. Demgegenüber könne der EGMR im Falle einer Verletzung der EMRK lediglich dem Beschwerdeführer im anhängigen Einzelfall eine "gerechte Entschädigung" zusprechen (Art. 41 EMRK); eine Verwerfung von Normen des nationalen Rechts mit Wirkung für und gegen alle sei dem EGMR nicht möglich. 
 

 

 

 

 


 

Fundstelle(n):
JAAAF-43519