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Online-Nachricht - Donnerstag, 16.02.2012

Gesetzgebung | Zwölf-Punkte-Plan zur Reform der Unternehmensbesteuerung

Die schwarz-gelbe Koalition will die Besteuerung von Unternehmen weiter modernisieren. Die finanzpolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen, Volker Wissing (FDP) und Klaus-Peter Flosbach (CDU), haben hierzu in Berlin einen Zwölf-Punkte-Plan zur Reform der Unternehmensbesteuerung vorgestellt.

Die Maßnahmen im Einzelnen:

1. Einführung einer Gruppenbesteuerung anstelle der bisherigen steuerlichen Organschaft: Mit der Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung soll künftig auf den Gewinnabführungsvertrag als Voraussetzung der Ergebnisverrechnung im Konzern verzichtet werden. Die Systemumstellung soll ab 2016 wirksam werden. Der Vorschlag ist bereits in dem Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit enthalten (s. NWB ReformRadar, Reform der Unternehmensbesteuerung).
2. Verlustrücktrag: Der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag (derzeit 511.500 €) soll auf 1 Mio. € angehoben werden. Außerdem soll das Wahlrecht entfallen, den Verlustrücktrag innerhalb der bestehenden Höchstbeträge zu begrenzen (§ 10d Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG).
3. Endgültige Verluste: Nach der Rechtsprechung müssen Verluste eines inländischen Unternehmens aus dessen ausländischer Betriebstätte im Inland berücksichtigt werden, soweit sie ansonsten „endgültig“ nicht mehr verrechnet werden können. Dies eröffne erhebliches Gestaltungspotential und erhöhe die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung. Zukünftig sollen missbräuchliche grenzüberschreitende Gestaltungen in diesem Zusammenhang verhindert werden. Wie die Regelung im Einzelnen aussehen soll, lässt das Papier allerdings offen.
4. Dividendenbesteuerung bei hybriden Finanzinstrumenten: Bei einer sogenannten hybriden Finanzierung handelt es sich um die Hingabe von Kapital – etwa durch den Gesellschafter –, das wegen der Konditionen der Kapitalhingabe in einem Staat als Fremdkapital, im anderen Staat als Eigenkapital qualifiziert wird. Das führt dazu, dass Vergütungen für die Überlassung von Kapital im Quellenstaat als Betriebsausgaben abgezogen und im Empfängerstaat als Dividenden ggf. ermäßigt oder gar nicht besteuert werden. Qualifikationskonflikte dieser Art würden häufig zur Schaffung unbesteuerter sogenannter „weißer Einkünfte“ genutzt werden. Ein solcher Gestaltungsmissbrauch soll zukünftig verhindert werden.
5. Sondervergütungen an ausländische Mitunternehmer: Sondervergütungen an Mitunternehmer von Personengesellschaften (z.B. Zinsen für ein Darlehen) sind nach deutschem Verständnis wie ein Vorabgewinn der Personengesellschaft – und damit wie ein Unternehmensgewinn – zu behandeln, der im Inland steuerpflichtig ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die Besteuerung der Sondervergütungen im Inland soll zukünftig auch dann gelten, wenn eine Sondervergütung an ausländische Mitunternehmer gewährt wird. Allerdings ist Deutschland bereit, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, soweit aus dem DBA für den Ansässigkeitsstaat keine entsprechende Ausgleichspflicht herzuleiten ist.
6. Vereinfachung des steuerlichen Reisekostenrechts – Fahrtkosten: Entsprechend den BMF-Bericht zur steuerlichen Neuordnung des Reisekostenrechts (vgl. NWB ReformRadar, Reform des Reisekostenrechts) soll der bisherige Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte neu gefasst werden. Zukünftig soll nur noch zwischen einer „ersten Tätigkeitsstätte“ (Entfernungspauschale) und „anderen Tätigkeitsstätten“ (Auswärtstätigkeit) unterschieden werden.
7. Vereinfachung bei Verpflegungsmehraufwendungen und Unterkunftskosten: Bei eintägigen Auswärtstätigkeiten soll zukünftig die Staffelung der Mindestabwesenheitszeiten wegfallen; die maßgebliche Abwesenheitszeit soll zugleich angehoben werden. Auch soll die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung von Arbeitgeberleistungen mit typischen Aufwendungen (z.B. bei Außendienstmitarbeitern) eingeführt werden. Dabei braucht der Arbeitgeber die tatsächlichen Abwesenheitszeiten nicht prüfen oder aufzeichnen. Die Grundsätze zur Abziehbarkeit von Übernachtungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung und bei einer länger andauernden Auswärtstätigkeit sollen vereinheitlicht werden. In beiden Fällen sollen z.B. die notwendigen, beruflich veranlassten Übernachtungskosten bei Anmietung einer Wohnung anhand der tatsächlich gezahlten Miete anstatt der ortsüblichen Miete ermittelt werden.
8. Vereinfachung des Verlustabzugs bei beschränkter Haftung: § 15a EStG hat das Ziel, nur solche Verluste zum Abzug zuzulassen, die der beschränkt haftende Kommanditist auch wirtschaftlich trägt. Die Vorschrift ist u.a. wegen der Bezugnahme auf das Gesellschaftsrecht sehr komplex. Die Verlustverrechnungsbeschränkung des §15a EStG soll daher zukünftig auf das steuerliche Kapitalkonto (sog. „Steuerbilanzmodell“) umgestellt werden.
9. Beschränkung des fremdfinanzierten Beteiligungserwerbs – Leveraged buyout (LBO): LBO-Gestaltungen sind Gestaltungen zum fremdfinanzierten Erwerb von Unternehmen. Die Besonderheit besteht darin, dass die Schulden, die mit dem Erwerb der Beteiligung an dem Unternehmen durch den Investor zusammenhängen, und die damit verbundenen Finanzierungsaufwendungen auf die erworbene Gesellschaft verlagert werden. Das bedeutet, das erworbene Unternehmen muss wirtschaftlich gesehen den Kaufpreis seiner eigenen Übernahme letztlich selbst finanzieren. Dadurch komme es zu nicht erwünschten Gestaltungen, zudem würden die im Inland erwirtschafteten steuerlichen Gewinne gemindert werden. Soweit die Zinsschranke nicht eingreift, könne dieser Anreiz zukünftig durch Versagung des Betriebsausgabenabzugs der Fremdkapitalkosten verhindert werden. Damit sollen Gestaltungen unterbunden werden, in denen erworbene Unternehmen ihren Kaufpreis selbst finanzieren müssen.
10. Verbindung der Stundungen bei grenzüberschreitenden steuerlichen Entstrickungsvorgängen mit einer Sicherheitsleistung und Verzinsung (Folgen aus EuGH „National Grid Indus“):  Aktuell sieht das deutsche Steuerrecht vor, dass stille Reserven besteuert werden, wenn sie z.B. durch Verbringen ins Ausland dem deutschen Steuerzugriff entzogen werden. Aus unionsrechtlichen Gründen wird der Steueranspruch aber zum Teil nicht sofort, sondern erst gestreckt über 5 Jahre fällig. Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des EuGH (Rs. NWB LAAAE-00703, „National Grid Indus“) kann die Stundung des Steueranspruchs mit einer Sicherheitsleistung und einer Verzinsung versehen werden. Dies soll durch eine entsprechende gesetzliche Regelung umgesetzt werden.
11. Weitere Beschränkung der Wertpapierleihe: Die Steuerfreistellung nach § 8b KStG ist nach Absatz 7 nicht auf Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten dem Handelsbuch zuzurechnen sind. Eine Umgehung dieser Vorschrift durch Auslagerung dieser Erträge auf andere Körperschaften mittels Wertpapierleihe und steuerwirksamer Leihgebühr unterbindet § 8b Abs. 10 S. 1 KStG. Dieser verlangt jedoch auf beiden Seiten eine Körperschaft. Mit der Neuregelung soll die Versagung für den Abzug der Leihgebühr auch auf Personengesellschaften ausgedehnt werden.
12. Monetarisierung von Verlusten: Bei Verschmelzung einer Verlustgesellschaft auf eine Gewinngesellschaft geht der steuerliche Verlustvortrag der Verlustgesellschaft nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes unter. Die Regelung wird in der Praxis dadurch umgangen, dass die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft verschmolzen wird. Ziel dieser Gestaltungen ist es, die Besteuerung von Gewinnen bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven durch Verrechnung mit steuerlichen Verlusten einer anderen Gesellschaft zu vermeiden. Zudem nutzen die Gestaltungen die Möglichkeit einer achtmonatigen steuerlichen Rückwirkung bei der Umwandlung. Durch eine gesetzliche Regelung soll eine Umgehung des geltenden Rechts für eine solche Verlustnutzung unterbunden werden.
Hinweis: Mehr zu dem o.g. Zwölf-Punkte-Plan können Sie in Heft 9/2012 der NWB in einem ausführlichen Beitrag von Prof. Dr. Hechtner lesen. 
 


 

Fundstelle(n):
YAAAF-43485