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Online-Nachricht - Mittwoch, 15.02.2012

Einkommensteuer | Nachweis von Krankheitskosten (FG)

Die rückwirkenden Anwendung der in § 64 EStDV festgelegten Voraussetzungen zum Nachweis von Krankheitskosten ist verfassungsgemäß (; Revision zugelassen).


Hintergrund: Der BFH hatte mit Urteil v. - NWB AAAAD-59907 seine langjährige Rechtsprechung zum Nachweis von Krankheitskosten aufgegeben. Danach war ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vor der Maßnahme eingeholtes amtsärztliches Attest nicht mehr erforderlich. Die nötigen Feststellungen und Würdigungen sollten von den Gerichten nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung getroffen werden können. Dem ist der Gesetzgeber mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 entgegen getreten, wonach der Steuerpflichtige wieder vor Beginn der Heilmaßnahme ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung besorgen muss (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV). Die entsprechende Regelung ist am in Kraft getreten und rückwirkend für alle noch offene Fälle anzuwenden (§ 84 Abs. 3f EStDV).

Sachverhalt: Im Streitfall hatten die Kläger ihren Sohn in einem Internat untergebracht, das auf die Betreuung von an Legasthenie leidenden Kindern spezialisiert ist. Die Unterbringung erfolgte auf Empfehlung eines Facharztes sowie des Schulpsychologischen Dienstes. Ein amtsärztliches Attest hatten die Kläger nicht eingeholt. Die Stadt gewährte den Klägern eine finanzielle Unterstützung für die Unterbringung, die die Gesamtkosten nicht vollständig abdeckte. Den Rest der Kosten für das Internat sowie die Aufwendungen für die Heimfahrten des Sohnes machten die Kläger in ihrer Steuererklärung für 2007 als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab, da der Nachweis der Krankheitskosten nicht durch ein vor der Unterbringung ausgestelltes amtsärztliches Attest erbracht worden war. Die Kläger beriefen sich während des laufenden Verfahrens u.a. auf die geänderte Rechtsprechung des BFH - ohne Erfolg.

Hierzu führten die Richter weiter aus: Im Streitfall sind der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingefügte § 33 Abs. 4 EStG und die hierzu ergangene Verwaltungsregelung (§ 64 EStDV) anzuwenden. Darin ist ausdrücklich festgelegt, dass im Fall einer medizinisch angezeigten auswärtigen Unterbringung eines an Legasthenie leidenden Kindes der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erfolgen hat. Die Neuregelung gilt in allen Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurde. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ergibt sich nicht aus der vorgesehenen Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung. Die Rückwirkung ist ausnahmsweise zulässig. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung lediglich die Rechtslage rückwirkend festgeschrieben, die bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der einhelligen Rechtsanwendungspraxis entsprochen hat. Dies ist zulässig und verletzt kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger. Erst Ende 2010 hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung aufgegeben und auf den formalisierten Nachweis durch ein vorab erstelltes amtsärztliches Attest verzichtet. In Anbetracht dieser Situation hatten die Kläger im Streitjahr 2007 keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass sie die streitigen Aufwendungen anders als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes nachweisen könnten.

Hinweis: Das Gericht hat die Revision zum BFH zugelassen.

Quelle: FG Münster online


 

Fundstelle(n):
PAAAF-43475