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Grundlagen - Stand: 10.03.2023

Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit

Alexander v. Wedelstädt

I. Definition

Steuerverwaltungsakte, also Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide sowie sonstige Steuerverwaltungsakte, können nach § 129 AO jederzeit berichtigt werden, wenn der Finanzbehörde

  • bei Erlass des Verwaltungsaktes

  • Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten unterlaufen sind (§ 129 Satz 1 AO).

Hat der Beteiligte ein berechtigtes Interesse daran, hat die Finanzbehörde zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

Beim Entstehungsvorgang eines Verwaltungsaktes können Störungen auftreten, die nicht die Willensbildung, sondern die Umsetzung der Willensbildung betreffen. Das Ergebnis der Willensbildung wird auf Grund mechanischer Fehler wie Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnlicher Fehler nicht so erklärt, wie es zutreffend wäre, Wille und Erklärung fallen also unbewusst auseinander. Es wurde im Steuerverwaltungsakt objektiv etwas anderes erklärt, als erklärt werden sollte. Die Vorschrift dient der Korrektur von Steuerverwaltungsakten in derartigen Fällen.

§ 129 AO ist auch auf Verwaltungsakte der Familienkasse anwendbar ().

II. Offenbare Unrichtigkeit

1. Allgemeines

Der unbestimmte Rechtsbegriff „ähnliche (offenbare) Unrichtigkeit” ist auszulegen anhand der vom Gesetzgeber als offenbare Unrichtigkeiten bezeichneten Begriffe „Schreibfehler” und „Rechenfehler”.

Schreib- und Rechenfehler sind ungewollte, von Denkfehlern abgrenzbare Fehler. Zu den Schreibfehlern gehören orthografische Fehler, Wort- und Wortstellungsverwechslungen sowie Auslassungsfehler. Rechenfehler finden sich bei inkorrekter Anwendung der Grundrechenarten sowie z.B. bei Zahlentausch.

Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind daher mechanische Fehler, die im Anschluss an die Willensbildung über den Verwaltungsakt bis zu seiner Bekanntgabe unterlaufen sind. Als solche kommen u.a. in Betracht: Ver- oder Übersehen, Verwechseln, Vertauschen, falsches Über- oder Eintragen, Unterlassen wegen Vergessens, Nichtberücksichtigung von feststehenden Tatsachen. Der mechanische Fehler soll nach Ansicht des BFH ebenso „mechanisch”, also ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Gleichwohl muss geprüft werden, wie es zu dem Fehler gekommen ist, um die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der nicht nur theoretischen Möglichkeit eines Rechtsfehlers beantworten zu können (s. ausführlich von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 129 AO Rz. 7 ff.). Ob ein mechanisches Versehen vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, insbesondere – aber nicht nur – unter Einbeziehung des Inhalts der Steuerakten.

2. Abgrenzung zu Rechtsfehlern

Keine offenbare Unrichtigkeit liegt daher vor, wenn die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsfehlers besteht ; das ist der Fall, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Unrichtigkeit in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder in einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- und Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachaufklärung beruht. Ob dies der Fall ist, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles, vor allem nach Aktenlage festgestellt werden. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums muss sich durch die - ggf. vom Gericht - festgestellten Tatsachen belegen lassen. Dazu sind die tatsächlichen Vorgänge zu ermitteln, die zu der Unrichtigkeit geführt haben. Da es sich dabei im Wesentlichen um eine Tatfrage handelt, unterliegt sie der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang. Völlig absurde oder abwegige Rechtsüberlegungen durch das Finanzamt dürfen dabei nicht unterstellt werden.

Rechtsfehler, die die Anwendbarkeit des § 129 AO ausschließen, sind z.B.

  • Fehler in der Auslegung oder Anwendung bzw. Nichtanwendung einer Rechtsvorschrift (AEAO zu § 129, Nr. 2 Satz 1) , dazu gehört, dass eine erforderliche rechtliche Prüfung unterblieben ist oder dass Rechtsnormen nicht oder falsch angewendet werden,

  • Fehler in der Sachverhaltsermittlung ,

  • Fehler in der Tatsachenwürdigung, die nicht mechanische Fehler sind, sondern mit einer wertenden Beurteilung zusammenhängen,

  • unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts,

  • Übersehen von Kontrollmitteilungen, Übersehen oder Nichtauswertung eines Prüfberichts oder eines Grundlagenbescheids oder Übersehen von Angaben des Steuerpflichtigen,

  • Denk- und Überlegungsfehler, die sich nicht unmittelbar auf die Rechtsanwendung beziehen, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts.

S. dazu ausführlich von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 129 AO Rz. 12 ff. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheidet bereits dann aus, wenn auch nur die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit, dass ein solcher Fehler vorliegt (AEAO zu § 129, Nr. 2 Satz 2).

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