Online-Nachricht - Mittwoch, 19.10.2011

Umsatzsteuer | Innergemeinschaftliche Lieferung im Reihengeschäft (BFH)

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gemäß § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versendete Gegenstand im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts geliefert, ist für die Zuordnung von Beförderung oder Versendung als Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß § 6a UStG Folgendes zu berücksichtigen: Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Nach den Regelungen im UStAE ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung des letzten Lieferers in der Reihe zuzuordnen, wenn der Liefergegenstand durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet wird (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE).
Sachverhalt: Die Klägerin hatte einen Pkw an ihren spanischen Kunden (K) geliefert, der es von einem legitimierten französischen Fahrer (Y) abholen ließ. Dieser hat das Fahrzeug jedoch − was die Klägerin nicht wusste − bei einem französischen Abnehmer ihres spanischen Kunden abgeliefert. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Lieferung steuerpflichtig ist. Da der französische Abnehmer als letzter Unternehmer in der Reihe die Beförderung des PKWs tatsächlich beauftragt habe, sei die Warenbewegung nur der Lieferung der K an den französischen Abnehmer zuzuordnen, so dass die innergemeinschaftliche Lieferung in diesem Verhältnis erfolgt sei. Daher sei § 6a Abs. 4 UStG auf die streitgegenständliche Lieferung der Klägerin an K nicht anwendbar.
Hierzu führt der BFH weiter aus: Da K als erster Abnehmer gegenüber der Klägerin erklärt hat, er werde den Gegenstand der Lieferung nach Spanien und damit in einen anderen Mitgliedstaat befördern oder versenden, K unter seiner spanischen USt-Id-Nr. handelte, und ein von K Beauftragter den Gegenstand zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet abholte, war die Lieferung der Klägerin an K die Versendungslieferung und damit die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. Ob K seinerseits im Verhältnis zu seinem französischen Abnehmer die Kosten für die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet trug, ist im Hinblick auf die von K für den Abholer Y erteilte Vollmacht unerheblich. Darüber hinaus war der Klägerin der Weiterverkauf durch K an einen französischen Abnehmer nicht bekannt, so dass eine Zuordnung der Versendung zur zweiten Lieferung (K an den französischen Abnehmer) nicht in Betracht kommt. Dass eigene Angestellte des K bei der Abholung nicht anwesend waren, steht der Zuordnung zur ersten Lieferung im Hinblick auf die durch K dem Abholenden erteilte Abholvollmacht schließlich gleichfalls nicht entgegen.
Anmerkung: Anders wäre der Streitfall zu beurteilen gewesen, wenn der Ersterwerber (hier K) dem ersten Lieferer (hier: der Klägerin) bereits vor der Beförderung oder Versendung mitgeteilt hätte, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (vgl. NWB VAAAD-59819, Euro Tyre Holding, Rdnr. 36). Beförderung oder Versendung sind dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist. Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG). Soweit sich aus Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE ergeben sollte, dass die erste Lieferung im Reihengeschäft allein aufgrund der Einbeziehung des zweiten Abnehmers in die Beförderung nicht steuerfrei sein kann, wäre dies nach Ansicht des BFH mit dem EuGH-Urteil Euro Tyre Holding nicht vereinbar.
Quelle: BFH online
Hinweis: Schon das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben, sich dabei aber auf die Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG gestützt. Obwohl es auf diese im Streitfall nicht ankam, hat der BFH in seiner Entscheidung angemerkt, es erscheine nicht möglich, sog. ruhende Lieferungen von der Gewährung des Vertrauensschutzes auszunehmen.
 

 

 

Fundstelle(n):
VAAAF-42783