Einspruchsfrist | Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (FG)
Das FG Hamburg hat entscheiden, dass Familienangehörige, die nicht mit der Vornahme fristwahrender Handlungen, sondern nur mit der Entgegennahme eingehender Post beauftragt sind, bzw. mit der Briefkastenleerung, keine Vertreter i.S.d. § 110 Abs. 1 S. 2 AO oder des § 85 ZPO sind, sondern nur Hilfspersonen, deren Verschulden der Steuerpflichtige sich nicht zurechnen lassen muss ().
Das FG Hamburg hat entscheiden, dass Familienangehörige, die nicht mit der Vornahme fristwahrender Handlungen, sondern nur mit der Entgegennahme eingehender Post beauftragt sind, bzw. mit der Briefkastenleerung, keine Vertreter i.S.d. § 110 Abs. 1 S. 2 AO oder des § 85 ZPO sind, sondern nur Hilfspersonen, deren Verschulden der Steuerpflichtige sich nicht zurechnen lassen muss (NWB TAAAD-19171).
Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte übersandte den streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid mit einfacher Post. Nach Ablauf der Einspruchsfrist legte der Kläger Einspruch ein und führte in einem Schreiben aus, dass er den Bescheid erst vor zwei Tagen zur Kenntnis erhalten habe. Er sei von seinen Kindern, die gewöhnlich den Briefkasten leerten, aus dem Briefkasten entnommen worden und dann versehentlich im Altpapier gelandet, wo er ihn erst jetzt gefunden habe. Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag auf Wiedereinsetzung. Diesen verwarf sie als unzulässig, weil ihrer Ansicht nach keine Wiedereinsetzungsgründe vorgelegen hätten.
Hierzu führte das FG weiter aus: Gemäß § 110 AO ist demjenigen, der ohne Verschulden gehindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf dessen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Fristversäumnis ist als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zur erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte. Grundsätzlich gehöre zu der einem Steuerpflichtigen zumutbaren Sorgfalt, eingehende Post genau daraufhin durchzusehen, ob es sich um einen förmlichen Bescheid einer Behörde handelt. Zu Unrecht habe die Beklagte dem Kläger jedoch das Verschulden seiner Kinder zugerechnet. Zwar sei gemäß § 155 FGO i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten als ein Verschulden des Beteiligten selbst anzusehen (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Gedacht sei in diesem Zusammenhang jedoch an das Verschulden des Prozessbevollmächtigten. Überdies werde für die Frage der Wiedereinsetzung das Verschulden der Hilfspersonen eines Prozessbevollmächtigten nur dann als Verschulden des Beteiligten erachtet, wenn es vom Anwalt selbst - z.B. wegen eines Organisationsverschuldens - zu vertreten ist (, BStBl 1980 II S. 183, 334). Die gleichen Grundsätze müssten auch für den Beteiligten selbst gelten, wenn er Hilfspersonen heranzieht. Es sei allgemein anerkannt, dass ein Beteiligter nicht für diese haften muss, er müsse sie nur in zumutbarer Weise unterweisen und beaufsichtigen. Insoweit könnte ein Verschulden des Klägers lediglich dann angenommen werden, wenn er eine für die konkrete Aufgabe erkennbar ungeeignete Hilfsperson hinzugezogen oder diese unzureichend unterwiesen hätte. Hierfür ergaben sich im Streitfall keine Anhaltspunkte. Die Beklagte habe dem Kläger daher zu Unrecht die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist versagt.
Fundstelle(n):
RAAAF-42540