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Online-Nachricht - Freitag, 12.08.2011

Verfahrenrecht | Bekanntgabefiktion bei Übermittlung der Post mit einfachem Brief (BFH)

Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang eines Verwaltungsakts überhaupt, sondern behauptet er lediglich, diesen nicht innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erhalten zu haben, hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen ( (PKH), NV; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Schriftliche Verwaltungsakte werden im Inland von den Finanzämtern bzw. der Familienkasse in der Regel durch die Post mit einfachem Brief übermittelt. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein durch die Post im Inland übermittelter Verwaltungsakt als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (sog. Bekanntgabefiktion – formelle Bekanntgabe oder Zugangsvermutung). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich früher zugegangen ist.
Sachverhalt: Die Familienkasse wies den gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die drei Töchter der Klägerin gerichteten Einspruch zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Familienkasse wies in ihrer Klageerwiderung darauf hin, dass die Klage verfristet sei, da die Einspruchsentscheidung am zur Post aufgegeben worden sei und daher als am (Freitag) bekanntgegeben gelte. Im Verfahren berief sich die Klägerin u.a. auf den Eingangsstempel "" ihres Prozessbevollmächtigten und auf die immer wieder vorkommenden Verwechslungen der Briefkästen an dessen Kanzleisitz. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass der Bescheid erst später von der Familienkasse zur Post aufgegeben worden sei.
Hierzu führte der BFH u.a. aus: Wenn der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - behauptet, einen Verwaltungsakt nicht innerhalb des Dreitageszeitraums erhalten zu haben, hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Ein abweichender Eingangsvermerk allein ist nicht ausreichend. Der Steuerpflichtige muss vielmehr Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische - Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post - ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt danach nicht schon ein einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften. Es müssen vielmehr Zweifel berechtigt sein, sei es nach den Umständen des Falles, sei es nach dem schlüssigen oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen. Dabei hat das Finanzgericht den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Vorbringens des Steuerpflichtigen über den Zugang des Bescheides aufzuklären und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung gegeneinander abzuwägen.
Anmerkung: Was der Empfänger genau vortragen muss, um die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu erschüttern, musste der BFH im Streitfall nicht klären, da es insofern immer um die - dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz vorbehaltene - Würdigung des konkreten Einzelfalles gehe. Die Wertung des Finanzgerichts, die pauschalen Hinweise der Klägerin auf immer wieder vorkommende Briefkastenverwechslungen seien nicht ausreichend, waren nach Ansicht des BFH nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch NWB NAAAC-36549).
Quelle: NWB Datenbank 
Hinweis: Bestreitet der Steuerpflichtige den Zugang eines Verwaltungsakts überhaupt, so bedarf das Bestreiten i.d.R. keiner näheren Substantiierung, weil diese im Fall des Nichtzugangs kaum möglich sein dürfte.Die Behörde kann jedoch den Zugang beweisen (vgl. hierzu NWB CAAAB-25025).


 

Fundstelle(n):
UAAAF-42390