BAG Beschluss v. - 8 AZN 268/15

Gehörsrüge

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 72 Abs 2 Nr 3 Alt 2 ArbGG

Instanzenzug: Az: 2 Ca 6069/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 8 Sa 43/15 Teilurteil

Gründe

1I. Die Beschwerdebegründung erfüllt nur teilweise die Voraussetzungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG. Nur im Hinblick auf eine hilfsweise erklärte Aufrechnung ist die Beschwerde zulässig und begründet. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 72a Abs. 7 ArbGG).

21. Die Revision ist nicht wegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen. Es ist nicht dargelegt worden, woraus sich konkret die Entscheidungserheblichkeit der in der Beschwerde auf S. 2 f. formulierten Frage im Rahmen der Entscheidungslinie des Landesarbeitsgerichts ergeben soll. Im Gegenteil wird mit der Beschwerdebegründung ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe diese Frage offen gelassen, also seine Entscheidung nicht auf die Beantwortung der in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage gestützt.

32. Auch eine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist nicht aufgezeigt worden.

4Dazu fehlt es bereits an einer tatsächlichen Formulierung abstrakter, divergierender Rechtssätze. Es reicht nicht aus, Zusammenfassungen von Urteilspassagen und/oder Textausschnitte als divergierend zu bezeichnen. Zudem fehlt es an der konkreten Darlegung der Gesichtspunkte und Schlussregeln für eine Ableitung („Deduktion“) aus den fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts (zu den Anforderungen  - Rn. 9 f.). Darzulegen wäre dabei auch gewesen, woraus sich ergeben soll, dass die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts fallübergreifend, abstrakt und für vergleichbare Sachverhalte Geltung beanspruchend gefasst sind. Das ist nicht erfolgt. Hierzu fehlt es ua. an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Ausgleichsquittungen im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung enthalten ist und welche Rechtsqualität (Erlassvertrag, konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis) dieser ggf. zukommt (etwa  - Rn. 14 ff., BAGE 146, 217; - 5 AZR 880/06 - Rn. 22, BAGE 124, 349 zum Verhältnis zur grundsätzlich weiten Auslegung von Ausgleichsklauseln).

53. Der Beschwerde des Beklagten ist jedoch wegen einer Verletzung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG) stattzugeben.

6a) Eine Stattgabe der Beschwerde ist nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG dann geboten, wenn der Beschwerdeführer eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht und diese vorliegt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Entscheidung das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei brauchen sie jedoch nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln ( - zu II 3 a der Gründe, BAGE 114, 157). Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht auseinandergesetzt haben, rechtfertigt daher nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Hierfür bedarf es vielmehr besonderer Umstände (vgl. etwa  - zu II 1 a der Gründe). Geht das Gericht jedoch auf einen erkennbar wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies jedenfalls dann auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, wenn dieser vom Rechtsstandpunkt des Gerichts aus nicht unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert war oder aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt wurde ( - zu B I 1 der Gründe, BVerfGK 4, 119; - 1 BvR 986/91 - zu C III 2 a der Gründe, BVerfGE 86, 133). Das Übergehen des Parteivortrags muss überdies entscheidungserheblich sein. Dafür genügt bei der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, dass nicht auszuschließen ist, dass das Landesarbeitsgericht innerhalb der von ihm selbst im angefochtenen Urteil dargelegten rechtlichen Argumentation bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre ( - BAGE 114, 295).

7b) Danach ist die Beschwerde des Beklagten begründet.

8aa) Dies trifft allerdings nicht zu, soweit sich die Beschwerde auf einen Zeugenbeweis der Ehefrau des Beschwerdeführers zur „Wertung der Inhalte der im Streit stehenden Aufhebungsvereinbarung“ bezieht.

9Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ( - Rn. 24) hat das Landesarbeitsgericht auf S. 9 seines Urteils darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, wie die Erklärungen der Vertragspartner jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden werden durften und mussten (vgl. dazu auch  - Rn. 21).

10Hingegen bezieht sich der angebotene Zeugenbeweis darauf, wie der Beklagte und Beschwerdeführer die streitige Ausgleichsklausel (tatsächlich) verstanden hat (Beschwerdebegründung S. 8). Warum dies von Bedeutung sein soll, ist mit der Beschwerde nicht unter Auseinandersetzung mit den og. Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargelegt worden. Damit ist die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend begründet worden.

11bb) Zutreffend ist, dass das Landesarbeitsgericht auf die hilfsweise vom Beklagten im Schriftsatz vom (Bl. 189 der Akte der Vorinstanzen) erklärte Aufrechnung in Höhe von zunächst 158.025,00 Euro in seinen Entscheidungsgründen nicht eingegangen ist. Dies gebietet die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

12II. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen. Weiter gehende Ausführungen sind auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl.  - BVerfGK 18, 301).

13III. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:250815.B.8AZN268.15.0

Fundstelle(n):
AAAAF-32399