BGH Beschluss v. - I ZB 6/15

Rundfunkbeitragsrechtliches Vollstreckungsverfahren in Baden-Württemberg: Partei des Vollstreckungsverfahrens bei Beitreibung von Rundfunkgebühren durch den nichtrechtsfähigen "Beitragsservice"

Gesetze: § 882c ZPO, § 10 Abs 1 RdFunkBeitrStVtr BW, § 10 Abs 7 S 1 RdFunkBeitrStVtr BW

Instanzenzug: LG Tübingen Az: 5 T 296/14 Beschlussvorgehend AG Tübingen Az: 21 M 1024/14

Gründe

1A. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Bezeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.

2Am ging beim Amtsgericht Tübingen – Gerichtsvollzieherverteilerstelle - ein als "Vollstreckungsersuchen" bezeichnetes Schreiben vom ein, das mit dem nachfolgend eingeblendeten Briefkopf versehen war.

3In dem Schreiben hieß es weiter wie folgt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

trotz Festsetzung und Mahnung hat der oben genannte Beitragsschuldner rückständige Rundfunkgebühren von insgesamt 189,82 EUR nicht beglichen. Die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere sind die Gebühren-/Beitragsbescheide unanfechtbar geworden bzw. hat ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung.

Wir bitten Sie, wegen rückständiger Rundfunkgebühren/-beiträge die nachfolgend beantragten Vollstreckungsmaßnahmen gegen oben genannten Beitragsschuldner durchzuführen. Diese Ausfertigung ist vollstreckbar.

Es wird zunächst die isolierte gütliche Erledigung gemäß § 802b ZPO beantragt. Einer Zahlungsvereinbarung über 12 Monate wird bereits jetzt zugestimmt.

Bei erfolgloser gütlicher Einigung wird beantragt, einen Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO zu bestimmen und nach Abgabe der Auskunft eine entsprechende Abschrift gemäß § 802f Abs. 6 ZPO zu übersenden.

Für den Fall, dass unsere Forderung 1.000,00 EUR übersteigt, beantragen wir, ...

Senden Sie uns außerdem das Vermögensverzeichnis gemäß § 900 Abs. 5 ZPO a.F. bzw. die Vermögensauskunft gemäß 802c, 802d und 802f ZPO n.F. zu, wenn das Vermögensverzeichnis/die Vermögensauskunft nicht älter als ein Jahr ist. ...

Die Aufstellung der rückständigen Forderungen finden Sie auf der/den Folgeseite(n).

Zu Ihrer Information:

Im beizutreibenden Betrag ist die Zahlung vom über 17,28 EUR berücksichtigt. Das Beitragskonto weist einschließlich 03.2014 einen Rückstand von 303,70 EUR aus. Die rückständigen Forderungen betreffen den nicht privaten Bereich.

Überweisen Sie die eingezogenen Beträge bitte unter Angabe der Beitragsnummer ... und des Datums und nutzen Sie hierfür unbedingt das VE Abwicklungskonto. ...

Mit freundlichen Grüßen Südwestrundfunk

4Die letzte Seite des Schreibens enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Gebühren-/Beitragsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten zugesandt worden." Die Seite endet mit dem Hinweis: "Dieses Vollstreckungsersuchen ist von einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gefertigt und ohne Unterschrift und Dienstsiegel wirksam."

5Nachdem der Gerichtsvollzieher den Schuldner erfolglos zur Zahlung aufgefordert und Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumt hatte, erließ er am eine Anordnung zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

6Mit Beschluss vom hat das Vollstreckungsgericht den gegen die Eintragungsanordnung gerichteten Widerspruch des Schuldners vom zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Vollstreckungsgerichts sowie die Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers aufgehoben (Landgericht Tübingen, Beschluss vom - 5 T 296/14, juris). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom weiter.

7B. Das Beschwerdegericht ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8Das Vollstreckungsersuchen des Gläubigers sei als Titel unzureichend gewesen. Es fehle die vollständige, eindeutige und zutreffende Angabe des Gläubigers. Im gesamten Ersuchen sei nicht ansatzweise erwähnt, dass der Südwestrundfunk als Anstalt des öffentlichen Rechts Gläubiger sei und nicht - wie in den Entscheidungen des Gerichtsvollziehers angegeben - ein 'ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice". Dass der Gerichtsvollzieher als in Vollstreckungssachen äußerst erfahrene Person das Vollstreckungsersuchen dahin verstanden habe, dass ein 'ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice' Gläubiger sei, zeige, dass für einen Schuldner nicht ansatzweise zu erkennen gewesen sei, dass der mit allen postalischen Details angegebene, um die Vollstreckung ersuchende Beitragsservice tatsächlich nicht der Gläubiger sei. Der Beitragsservice habe ohne klaren Vertretungszusatz nicht einmal das Ersuchen verfassen dürfen, da er sich damit angesichts des Rechtscharakters des Ersuchens als Titelersatz zugleich als Gläubiger geriere. Der einfache, optisch einem Werbeaufdruck gleichkommende Aufdruck des Wortes "Südwestrundfunk" ohne weitere Angaben reiche ebenso wenig für eine hinreichende Gläubigerbezeichnung aus wie der aufgedruckte Schlusssatz "Mit freundlichen Grüßen Südwestrundfunk".

9C. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.

10I. Die Beschwerde des Schuldners ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vor.

111. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde die Annahme des Beschwerdegerichts, das Vollstreckungsersuchen vom entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil darin nicht der richtige Gläubiger angegeben oder erkennbar sei.

12a) Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass allein der Gläubiger und nicht der im Briefkopf des Vollstreckungsersuchens ebenfalls aufgeführte "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice" (nachfolgend: Beitragsservice) Inhaber der Beitragsforderungen ist, die Gegenstand der im Streitfall maßgeblichen Vollstreckung sind (vgl. , K&R 2015, 577 Rn. 18 f.).

13b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts wies das Vollstreckungsersuchen vom keine unklare oder unrichtige Angabe des Gläubigers auf. Es fehlt deshalb nicht an der allgemeinen Verfahrensvoraussetzung der zutreffenden Parteibezeichnung.

14aa) Dass vorliegend allein der Gläubiger und nicht der Beitragsservice als Partei des Vollstreckungsverfahrens in Betracht kommt, ergibt sich bereits zwingend aus der Rechtslage.

15Gemäß § 10 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom (RBStV), der den Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom (RGebStV) mit Wirkung vom aufgehoben hat (vgl. Art. 2 und Art. 7 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom ), steht das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag der Landesrundfunkanstalt, dem Zweiten Deutschen Fernsehen, dem Deutschlandradio sowie der Landesmedienanstalt zu, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet oder das Kraftfahrzeug zugelassen ist. Daraus ergibt sich, dass im Streitfall allein der Gläubiger als Landesrundfunkanstalt im Hinblick auf die Geltendmachung und Vollstreckung der Beitragsforderungen partei- und prozessfähig ist. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch eine nichtrechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft - dem Beitragsservice (früher GEZ) - wahrnimmt. Der Beitragsservice ist nicht rechtsfähig und damit auch nicht partei- und prozessfähig, sondern dient den Landesrundfunkanstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio aus Praktikabilitätsgründen lediglich als eine örtlich ausgelagerte gemeinsame Inkassostelle. Er ist daher nur zur Beitreibung von Rundfunkbeiträgen im Namen der Landesrundfunkanstalten befugt (vgl. BGH, K&R 2015, 577 Rn. 19 mwN). Im Streitfall kam daher bereits von Rechts wegen nur der Gläubiger und nicht auch der Beitragsservice als tatsächlich existierende Partei und damit als Gläubiger der zu vollstreckenden Rundfunkbeiträge in Betracht.

16bb) Nichts anderes ergibt sich bei verständiger Würdigung des Vollstreckungsersuchens vom . Darin war der Gläubiger als Absender hinreichend deutlich erkennbar. Seine Bezeichnung "Südwestrundfunk" befand sich nicht nur - räumlich eindeutig abgesetzt von den Angaben zum Beitragsservice - auf der linken Seite des Briefkopfs des Vollstreckungsersuchens. Sie war zudem in Alleinstellung auch unter der abschließenden Grußformel "Mit freundlichen Grüßen" und damit an der Stelle angegeben, an der herkömmlich die für den vorstehenden Inhalt verantwortlich zeichnende Person oder Institution aufgeführt ist. Es ergeben sich auch keine Zweifel an der Identität des Gläubigers daraus, dass im Vollstreckungsersuchen der Gläubiger nur mit seiner Bezeichnung "Südwestrundfunk" angegeben ist, während Angaben zu seiner Rechtsform, Anschrift und Vertretung fehlen. Die Frage, wer Partei eines Rechtsstreits oder Beteiligter eines Vollstreckungsverfahrens ist, bestimmt sich nach den Umständen. Umstände, die im Streitfall trotz der Angabe "Südwestrundfunk" als Absender des Vollstreckungsersuchens Zweifel an der damit gekennzeichneten Partei begründen könnten, so dass nur die Angabe der Rechtsform, Anschrift und Vertretungsverhältnisse die eindeutige Identifizierung des Gläubigers ermöglichen, hat das Beschwerdegericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es eine weitere Landesrundfunkanstalt mit einem identischen oder zumindest verwechslungsfähigen Namen gibt, die ebenfalls berechtigt sein könnte, Rundfunkbeiträge von einem in Baden-Württemberg ansässigen Schuldner zu erheben. Dass im Briefkopf neben der Bezeichnung des Gläubigers auch die Bezeichnung des Beitragsservice und nähere Angaben zu dessen Erreichbarkeit angegeben sind, spricht nicht gegen die alleinige Parteieigenschaft des Gläubigers, sondern entspricht vielmehr der dem Beitragsservice vom Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zugewiesenen Aufgabe, als Inkassostelle für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Rundfunkbeiträge beizutreiben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts musste auf diese eindeutige Rechtslage im Vollstreckungsersuchen nicht hingewiesen werden.

17cc) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe sich rechtsfehlerhaft auf den Umstand gestützt, dass der Gerichtsvollzieher als eine in Vollstreckungssachen äußerst erfahrene Person in seinen Entscheidungen davon ausgegangen sei, Gläubiger sei der Beitragsservice. Es kann dahinstehen, wen der im Streitfall tätige Gerichtsvollzieher als Gläubiger angesehen hat. Maßgeblich ist nicht die subjektive Sicht des Vollstreckungsorgans, sondern die verständige Würdigung der Umstände.

18Für die Frage, wer Partei eines Rechtsstreits ist, ist ohnehin nicht allein die Parteibezeichnung ausschlaggebend. Selbst bei einer unrichtigen äußeren Bezeichnung ist die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (, BGHZ 4, 328, 334; Urteil vom - I ZR 93/74, VersR 1976, 286; Beschluss vom - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764, 765; Beschluss vom - I ZB 61/10, NJW-RR 2012, 460 Rn. 8). Dies ist hier der Gläubiger. Es ist insoweit auch unerheblich, ob der Gerichtsvollzieher im Rubrum der Eintragungsanordnung die Bezeichnung "SWR ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice Köln” oder die Bezeichnung "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice" verwendet (entgegen LG Tübingen, sowie LG Tübingen, Beschluss vom - 5 T 162/15, juris Rn. 7).

192. Das Beschwerdegericht hat in seiner mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Entscheidung auszugsweise die Gründe seines Beschlusses vom (5 T 81/14, juris) wiedergegeben und dazu ausgeführt, auf diese Erwägungen komme es nicht an, sie seien aber der Vollständigkeit halber anzuführen. Sollte dies dahingehend zu verstehen sein, dass sich das Beschwerdegericht hilfsweise auf die Gründe im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 T 81/14 stützen wollte, kann seine Entscheidung ebenfalls keinen Bestand haben. Auch diese Gründe halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf die in dem dortigen Verfahren ergangene Entscheidung des Senats vom (I ZB 64/14, K&R 2015, 577) wird Bezug genommen.

203. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Das Vollstreckungsersuchen erfüllt die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 15a LVwVG BW.

21II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
JAAAF-17677