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Online-Nachricht - Donnerstag, 14.07.2011

Krankenkassen | Insolvente BKK muss Zusatzbeiträge erstatten (SG)

Der Zusatzbeitrag von Krankenkassen ist nur dann zulässig, wenn ihm ein qualifizierter Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht vorausgeht. Geschieht dies nicht, müssen bereits gezahlte Beiträge wieder erstattet werden ().

Dazu führt das SG weiter aus: Die Erhebung von Zusatzbeiträgen ist Eingriffsverwaltung, weshalb sie nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen darf. Wegen § 175 Abs 4 Satz 7 SGB V ist die Erteilung des Hinweises nach Satz 6 zwingende Voraussetzung für die Erhebung des Zusatzbeitrages oder dessen Erhöhung. Der Gesetzgeber ordnet in Satz 7 der Vorschrift eine rechtshindernde Einwendung gegen das Entstehen einer Zusatzbeitragspflicht an. Denn die Erhebung oder die Erhöhung des Zusatzbeitrags verschiebt sich bei Nichterfüllung der Hinweispflicht solange, wie diese Pflicht nicht erfüllt ist. Für diese Zeiträume darf die Krankenkasse die Zusatzbeiträge nicht erheben oder erhöhen. Sofern sie diese dennoch einzieht, geschieht dies ausweislich der Formulierung der Vorschrift, die nicht etwa nur die Fälligkeit, sondern den Anspruch selbst betrifft, ohne Rechtsgrundlage und hat ggf. bereits erfolgte Zusatzbeitragszahlungen zu erstatten.

Die rechtshindernde Einwendung ist von Amts wegen zu beachten. Subjektive Voraussetzungen oder Kausalzusammenhänge zwischen einer Verletzung der Hinweispflicht und der Ausübung oder Nichtausübung des Sonderkündigungsrechtes werden durch das Gesetz nicht normiert. Der gesetzlich geforderte Hinweis ist tatbestandliche Voraussetzung der Ermächtigungsgrundlage. Es kommt also unabhängig von einer tatsächlichen Kenntnis des Mitglieds über sein Kündigungsrecht oder von den konkreten Umständen des Einzelfalles ausschließlich darauf an, ob und wann die Hinweispflicht erfüllt wurde.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erfüllen diese Anforderungen nicht. Sie enthalten neben allgemeinen Ausführungen zur Notwendigkeit der Erhebung des Zusatzbeitrages vor allem Angaben zur möglichst günstigen Zahlung. Das Sonderkündigungsrecht wird im Bescheid, also im unterschriebenen Bereich mit Verfügungssatz und dessen Gründen, nicht erwähnt. Eine entsprechende Information lässt sich erst auf der Rückseite des Schreibens im (tatsächlich) Kleingedruckten unter der Überschrift "Weitere allgemeine Hinweise" als eine Passage des sechsten bzw. fünften Abschnitts unter der Überschrift "Rechtsgrundlagen (Auszüge)" und als durch bloße Wiedergabe des Wortlauts von § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V entdecken. Die Hinweise sind zudem in kleiner Schriftgröße gehalten. Eine Verdeutlichung, dass ein Gestaltungsrecht eingeräumt ist, lässt sich nicht erkennen. Aufmerksamkeit für das Gestaltungsrecht wird nicht geweckt. Die Zuordnung der Textpassage des Normzitats zu den Rechtsgrundlagen stellt die Information in einen völlig anderen Zusammenhang. Diese ist so an einer Stelle versteckt, an der ein durchschnittlicher Leser sie nicht erwarten müsste. Da die Gestaltung des Bescheides über die Erhöhung des Zusatzbeitrages dem Bescheid bei erstmaliger Erhebung des Zusatzbeitrages vergleichbar war, geht die Kammer davon aus, dass es sich nicht um ein zufälliges Missgeschick im Einzelfall handelt. Die Kombination von textlich-inhaltlicher und drucktechnischer Gestaltung erweckt bei der Kammer den Eindruck, dass die Beklagte trotz Widergabe der relevanten Vorschrift die gesetzlich geforderte Information über das Sonderkündigungsrecht bewusst der Aufmerksamkeit des Empfängers entziehen wollte. Die Anforderungen an die Realisierung der Hinweispflicht nach § 175 Abs 4 Satz 6 SGB V sind damit durch die angefochtenen Bescheide nicht erfüllt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Sprecher der Kasse bestätigte bereits, dass die City BKK beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Berufung gegen das Urteil einlegen werde.

Hinweis: Nach der Schließung der City BKK am haften für die zu unrecht erhobenen Zusatzbeiträge zunächst die anderen Betriebskrankenkassen.

Quelle: Sozialgericht Berlin

 

Fundstelle(n):
SAAAF-17460