Online-Nachricht - Montag, 30.05.2011

Einkommensteuer | Arbeitszimmer eines Lehrers und nebenberuflichen Schriftstellers (FG)

Übt ein Steuerpflichtiger mehrere Tätigkeiten aus, so bestimmt sich der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach deren qualitativem Schwerpunkt. Das Gesamtbild der Tätigkeiten wird dabei durch den Hauptberuf geprägt, wenn dieser inhaltlich mit einer Nebentätigkeit verbunden ist und die Haupttätigkeit weit überwiegt (FG Münster, Urteil v. v. - 1 K 3351/08 E).


Hintergrund: Ein Steuerpflichtiger kann die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann in unbeschränkter Höhe als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend machen, wenn das Arbeitszimmer den „Mittelpunkt“ der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Steht dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug (nur) bis zu einer Höhe von 1.250 Euro zulässig (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG).

Sachverhalt: Der Kläger ist als Berufsschullehrer nichtselbständig tätig. Daneben ist er als Schriftsteller freiberuflich tätig. Insbesondere ist er der Mitverfasser erfolgreicher Schulbücher. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung 2002 u.a. einen unbegrenzten Abzug der Aufwendungen für sein Arbeitszimmer geltend. Er trug vor, der qualitative Mittelpunkt seiner Gesamttätigkeit läge im Streitfall im Arbeitszimmer. Dort habe er insgesamt (die Tätigkeit als Schriftsteller sowie als Berufschullehrer betrachtet) 50,61% seiner Arbeitszeit verbracht. Dem entspräche auch eine Aufteilung der Einnahmen. 57,2% der Einnahmen würden im Arbeitszimmer generiert. Eine Aufteilung der qualitativ relevanten Tätigkeiten nach dem Ort der Tätigkeit käme sogar zu dem Ergebnis, dass dieser zu 66,7% im Arbeitszimmer liege.

Hierzu führte das Gericht weiter aus: Werden mehrere Tätigkeiten ausgeübt, so ist der „Mittelpunkt der Gesamttätigkeit“ anhand einer Gesamtbetrachtung aller vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. Dabei sind zunächst die jeweiligen Betätigungsmittelpunkte der einzelnen beruflichen und betrieblichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen und so dann auf dieser Grundlage der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit wird im vorliegenden Fall durch die Haupttätigkeit des Klägers, nämlich seine Lehrtätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers, indiziert. In der Rechtsprechung ist eindeutig geklärt, dass ein Lehrer den qualitativen Mittelpunkt seiner Tätigkeit in der Schule und damit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers hat (vgl. nur NWB WAAAA-88597, Tz. 42 ). Zwar ist der qualitative Mittelpunkt der schriftstellerischen Tätigkeit im Arbeitszimmer zu sehen, doch reicht dies nicht aus, im Rahmen der Gesamtschau auch den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit dort zu verorten. Der Senat vermag im Streitfall auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu erkennen, als im konkreten Fall der Abzug der Aufwendungen aufgrund der Haupttätigkeit des Klägers als Lehrer auf 1.250 Euro beschränkt ist, dies bei einem Schriftsteller im Hauptberuf aber nicht der Fall wäre. Anders als der nicht hauptberuflich tätige Schriftsteller hat der hauptberuflich tätige Schriftsteller nämlich keine Kompensationsmöglichkeiten von Aufwendungen bei Haupt- und Nebentätigkeit. In seinem Fall liegt auch – was zumindest typisierend zu berücksichtigen ist – keine Abgrenzungsproblematik zwischen Haupt- und Nebentätigkeit im Arbeitszimmer vor.

Anmerkung: Liegt der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung nicht im häuslichen Arbeitszimmer, steht für einzelne Tätigkeiten jedoch - wie im Streitfall -  kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können die Aufwendungen bis zur Höhe von 1.250 € abgezogen werden. Dabei sind die Aufwendungen für das Arbeitszimmer entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen. Soweit der Kostenabzug für eine oder mehrere Tätigkeiten möglich ist, kann der Steuerpflichtige diese anteilig insgesamt bis zum Höchstbetrag abziehen. Eine Vervielfachung des Höchstbetrages ist ausgeschlossen (objektbezogener Höchstbetrag, vgl. hierzu NWB FAAAD-62528, Rn. 20 mit Berechnungsbeispiel).

Quelle: NWB Datenbank 

Hinweis: Zu der Frage, in welchem Umfang die bisherige Rechtsprechung zum „anderen Arbeitsplatz” und zum „Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung” noch auf die Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des JStG 2010 übertragen werden kann, ist in einer anderen Angelegenheit ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig (BFH-Az. NWB BAAAD-83472; vgl. hierzu auch NWB-Nachrichten v. 26.4.2011). 

 

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-17224