Umsatzsteuer | Umsatzsteueranspruch im Insolvenzfall (BFH)
Vereinnahmt der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung, begründet die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollbesteuerung eine Masseverbindlichkeit (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Insolvenzgläubiger können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO. Es handelt sich dabei um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. NWB OAAAD-19284).
Hierzu führt der BFH u.a. aus: Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile. Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein, d.h. der Steuerbetrag ist zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Vereinnahmt der Insolvenzverwalter später das zunächst uneinbringlich gewordene Entgelt, ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen. Diese aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen.
Anmerkung: Mit dem o.g. Urteil hat der BFH eine in der Praxis der Insolvenzverwaltung häufig anzutreffende Fallgestaltung verworfen und damit sichergestellt, dass aus einem vom Insolvenzverwalter vereinnahmten Entgelt einschließlich Umsatzsteuer im Regelfall auch die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss. Wird über das Vermögen eines Unternehmers, der umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, das Insolvenzverfahren eröffnet, vereinnahmen Insolvenzverwalter häufig Forderungen aus Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verfahrenseröffnung erbracht hat. Diese Forderungen setzen sich aus dem sog. Entgelt und dem Umsatzsteueranteil für die erbrachte Leistung zusammen. Bisher wurde die Forderung in der Praxis der Insolvenzverwaltung in voller Höhe für die Masse vereinnahmt, so dass der Fiskus den Umsatzsteueranspruch nur als sog. Insolvenzforderung zur sog. Insolvenztabelle anmelden konnte und er lediglich wie ein Insolvenzgläubiger quotal befriedigt wurde. Der BFH ist dem für den Sonderfall der sog. Istbesteuerung bereits in der Vergangenheit entgegentreten (vgl. NWB OAAAD-19284). Nach dem jetzt veröffentlichten Urteil gilt dies auch, wenn der Unternehmer wie im Regelfall der sog. Sollbesteuerung unterliegt. Der BFH begründet sein Urteil mit dem Entstehen mehrerer Vermögensmassen im Insolvenzfall. Dem Urteil kommt damit große Bedeutung für die Praxis der Unternehmensinsolvenz zu, da die Insolvenzverwalter hier typischerweise Forderungen aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen beitreiben. Das Urteil führt somit im Vergleich zur bisher allgemein geübten Praxis zu einer deutlichen Schmälerung der Insolvenzmasse, zu deren Lasten nun auch im Fall der Sollbesteuerung der volle Umsatzsteueranteil als Masseverbindlichkeit an den Fiskus auszukehren ist.
Quelle: BFH online
Hinweis: Eine systematische Darstellung der Umsatzsteuer in der Unternehmerinsolvenz finden Sie auch in der NWB-Datenbank unter der DokID NWB YAAAD-22839.
Fundstelle(n):
HAAAF-16966