Umsatzsteuer | Finanzielle Eingliederung einer Organgesellschaft (BFH)
Der XI. Senat des BFH hatte über die Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft zu entscheiden und ist dabei von seiner früher vertretenen Rechtsauffassung und der Verwaltungsauffassung abgewichen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Der BFH hatte bisher bei einer Personengesellschaft als Organträger - anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger - für eine finanzielle Eingliederung eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten (Betriebsaufspaltung) und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend NWB DAAAA-62944, unter II.2., m.w.N.). Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der UStR 2008) zugestimmt. 2010 hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. NWB AAAAD-45067 und v. - NWB MAAAD-55603).
Hierzu führt der BFH weiter aus: Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil v. (Az. NWB DAAAA-62944) auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine finanzielle Eingliederung setzt daher sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraus. Deshalb reicht es auch für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist. Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden.
Anmerkung: Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft. Streitpunkt war, ob umsatzsteuerrechtlich eine GmbH Organ einer anderen GmbH sein kann, wenn alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer beider Gesellschaften eine Person ist und ein „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ besteht. Dies hat der BFH verneint, weil er für die erforderliche finanzielle Eingliederung zwingend eine unmittelbare oder – über Tochtergesellschaften – mittelbare beherrschende Beteiligung verlangt. Eine Gesellschafteridentität (durch die „Schwestergesellschaften“ entstehen) reicht nicht aus. Bemerkenswert ist, dass sich der XI. Senat des BFH bei dieser Gelegenheit (mit Zustimmung des V. Senats) zu einer Konstellation geäußert hat, die im Streitfall gar nicht vorlag, nämlich zu der Fragestellung, ob eine Personengesellschaft Organträgerin einer GmbH sein kann, an der ein beherrschender Gesellschafter der Personengesellschaft allein beteiligt ist und über die sie außerdem über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag herrscht. Der BFH hat in der Urteilsbegründung und in dem zur Veröffentlichung formulierten Leitsatz zum Ausdruck gebracht, auch in diesem Fall werde – entgegen der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung – keine Organschaft mehr anerkannt. Damit ist die durch den V. Senat vollzogene Rechtsprechungsänderung (vgl. NWB AAAAD-45067) fortgeführt worden. Nach dieser Rechtsprechungsänderung können bei Betriebsaufspaltungen Besitz-Personengesellschaften (auch) umsatzsteuerrechtlich nur noch Organträger sein, wenn die Anteilsmehrheit zum Gesamthandsvermögen der Besitzgesellschaft gehört. Es wird dazu vermutlich eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung geben.
Quelle: BFH online
Fundstelle(n):
NAAAF-16883