Steuerstrafrecht | Kein Verwertungsverbot bei formal rechtswidriger Beschlagnahme (FG)
Eine rechtswidrige Beschlagnahme von Unterlagen (§ 108 Abs. 1 i. V. m. § 94 StPO) führt nicht zu einem Verwertungsverbot der von der Steuerfahndung festgestellten Ergebnisse, wenn der Beschlagnahmebeschluss nur wegen eines Formalfehlers aufgehoben wurde und die Feststellungen der Steuerfahndung im Wesentlichen auf Ermittlungsergebnissen beruhen, die gleichzeitig oder im Nachhinein aufgrund rechtmäßig durchgeführter Aufklärungsmaßnahmen gewonnen worden sind ().
Eine rechtswidrige Beschlagnahme von Unterlagen (§ 108 Abs. 1 i. V. m. § 94 StPO) führt nicht zu einem Verwertungsverbot der von der Steuerfahndung festgestellten Ergebnisse, wenn der Beschlagnahmebeschluss nur wegen eines Formalfehlers aufgehoben wurde und die Feststellungen der Steuerfahndung im Wesentlichen auf Ermittlungsergebnissen beruhen, die gleichzeitig oder im Nachhinein aufgrund rechtmäßig durchgeführter Aufklärungsmaßnahmen gewonnen worden sind (NWB DAAAD-76420).
Sachverhalt: Der Entscheidung liegt ein Antrag auf AdV zugrunde. Im November 2004 fand bei dem Ehemann einer GmbH-Geschäftsführerin eine Durchsuchung statt. Anlass war ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verstoßes gegen das BTMG. Das ermittelnde LKA beschlagnahmte dabei Unterlagen, die auf eine Steuerhinterziehung hindeuteten und übergab die Unterlagen am der Steuerfahndung. Diese leitete noch am selben Tag ein Steuerstrafverfahren gegen den Ehemann ein. Gegen die Geschäftsführerin wurde das Steuerstrafverfahren am eingeleitet. Am erließ das Amtsgericht Durchsuchungsbeschlüsse gegen beide Beschuldigte. Bei der Durchsuchung wurden weitere Unterlagen beschlagnahmt und ausgewertet. Am wurden die Unterlagen, die das LKA Ende 2004 beschlagnahmt und der Steuerfahndung übergeben hatte, auf Antrag der Steuerfahndung für das Steuerstrafverfahren beschlagnahmt. Dieser Beschlagnahmebeschluss wurde durch das Landgericht aufgehoben, weil die Beschlagnahme wegen des langen Zeitablaufs zwischen Übergabe der Unterlagen und Beschlagnahme nicht mehr zeitnah und damit unverhältnismäßig sei. Gleichwohl wertete das Finanzamt die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungsprüfung aus und erließ geänderte Bescheide. Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den zusätzlich gestellten Antrag auf AdV begründete die Antragstellerin damit, dass die Ergebnisse der Steuerfahndung nicht verwertet werden durften, weil diese auf der Auswertung von im Rahmen eines anderen Strafverfahrens sichergestellten Unterlagen beruhten, für die eine Beschlagnahme erst nach mehr als 3 ½ Jahren beantragt wurde, die genau aus diesem Grund vom Landgericht aufgehoben worden war.
Dazu führt das FG weiter aus: Zwar kann ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot anzunehmen sein, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat. Die auf diese Weise ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar; der Verstoß kann nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Die Verletzung eines verfassungsrechtlich geschützten Bereichs der Betroffenen (vgl. dazu Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 88 Rz. 308 ff.) kann im Streitfall jedoch ausgeschlossen werden. Aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen konnten weder grundgesetzwidrige Aufklärungsmethoden festgestellt werden, noch hat die Antragstellerin derartige Mängel geltend gemacht, die – ausnahmsweise – die Ermittlungsergebnisse einem materiell-rechtlichen (endgültigen) Beweisverwertungsverbot unterwerfen würden. Die rechtswidrige Beschlagnahme hat nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt (vgl. NWB CAAAD-57462). Handelt es sich wie im Streitfall nur um formelle Verstöße, so kann es lediglich zu einem „einfachen” Verwertungsverbot kommen, sofern die Prüfungsmaßnahmen erfolgreich angefochten oder nach Beendigung der Prüfung zumindest ihre Rechtswidrigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO festgestellt worden ist. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre, gibt es nicht ().
Anmerkung: Wird ein Beschlagnahmebeschluss lediglich wegen der nicht zeitnahen Anordnung, also nur wegen eines Formalfehlers und nicht wegen erheblicher, zu Unrecht erfolgter Eingriffe in die Rechte der Betroffenen aufgehoben, steht dies der Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig nicht entgegen.
Quelle: FG München
Fundstelle(n):
RAAAF-16860