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Online-Nachricht - Mittwoch, 19.01.2011

Spanien | Lange Zahlungsfristen, wenig Totalausfall bei Forderungen

Das spanische Kreditwesen und das Zahlungsverhalten zeichnen sich durch einige Besonderheiten aus. Die Zahlungsfristen sind traditionell lang und aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage ist von einem weiteren Anstieg auszugehen. Zahlungsausfälle liegen im europäischen Vergleich eher im unteren Drittel.

Diese Fristen haben sich jetzt, nachdem das Land schon im dritten Jahr in einer tiefen Wirtschaftskrise mit erheblichen Strukturproblemen steckt, weiter erhöht und das Thema der "Zahlungssicherheit" ist auf der Agenda des unternehmerischen Alltags wieder stark nach oben gerückt.

In einigen Branchen (unter anderem Baugewerbe und Automobilbereich) wird für die langen Zahlungsfristen auch die "Kette" angeführt, in der die Unternehmen von Lieferanten stehen. Noch wichtiger als in vielen anderen europäischen Ländern ist die persönliche Inaugenscheinnahme der Firma und generell der persönliche Kontakt zum Kunden.

Das durchschnittliche Zahlungsziel betrug bisher circa 90 Tage, wobei große Unterschiede in den Wirtschaftssektoren bestehen. Zum Teil weit über diesem Zeithorizont liegen die Zahlungsfristen im Handel, im Baugewerbe (einschließlich Bauzulieferungen), im Automobilbau (einschließlich Kfz-Teile), Werbesektor und im staatlichen Bereich (vor allem auf der Ebene der Autonomieregierungen und auf kommunaler Basis), zum Beispiel im Krankenhaussektor. Hier konnten die Zahlungsfristen vor Jahren schon teilweise 180 und weit mehr als 200 Tage betragen; sie sind gegenwärtig eher noch weiter angestiegen.

Klagen sind insbesondere auch aus den Unternehmenskreisen, die Geschäfte mit den Kommunen tätigen, zu vernehmen. Aufgrund des massiven Einnahmerückgangs einerseits und infolge der drastisch verordneten Sparmaßnahmen andererseits sind die liquiden Mittel in den Kassen der Kämmerer knapp, was die Zahlungsfristen weiter anhebt. Im Krankenhaussektor (unter anderem Arzneimittelbereich) soll es zu Zahlungsfristen von bis zu 500 Tagen kommen.

Diese generelle Einschätzung wird durch die Umfragen von Intrum Justitia erhärtet. In ihrem jüngsten "European Payment Index 2010" liegt Spanien von 26 europäischen Ländern zwischen Finnland (Platz 1) und Portugal (Platz 26) an 22. Stelle. Die Zahlungsfristen haben sich im Durchschnitt im privaten Bereich um 2, im öffentlichen um 14 Tage verlängert.

Bei der Rechnungsbegleichung ist folgende Altersstruktur der ausstehenden Forderung festzustellen (Angaben der Quoten in %): bis zu 30 Tagen: 29 (2008), 25 (2010), von 31 bis 90 Tage: 47 (2008), 46 (2010); über 90 Tage: 24 (2008), 29 (2010).

Als besonders extrem galten in der Vergangenheit die langen Zahlungsfristen, die sich die großen Handelsketten ("grandes superficies") teilweise herausgenommen haben. Aus Bankenkreisen verlautet, dass die Gewinnspannen bei Großlieferungen an diese Ketten aufgrund der späten Rechnungsbegleichung zum Teil größer sind als durch den eigentlichen Warenverkauf.

Aus diesem Grund ist im Großkundenverkehr schon seit geraumer Zeit ein neues Zahlungsverfahren, das sogenannte "Reverse-Factoring" (oder in Spanien bekannt als "Confirming") üblich geworden: Die Hausbank des Warenabnehmers räumt ihm eine "Confirming-Linie" ein.

Im Rahmen des vereinbarten Volumens überweist sie den Rechnungsbetrag unter Abschlag eines Zinssatzes an den Lieferanten, während der Warenabnehmer im Rahmen dieses Volumens die Rechnung bei der Hausbank zu einem bestimmten Zeitpunkt begleicht.

Dieses Finanzierungsvorgehen findet aber, wie Bankenvertreter berichten, auch in den Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen Lieferanten und spanischen Abnehmern Anwendung. Das Bestehen einer dem spanischen Geschäftspartner eingeräumten "Confirming-Linie" eröffnet dem deutschen Lieferanten zwei Möglichkeiten: Er kann den Rechnungsbetrag unter Abschlag sofort erhalten oder er kann bis zum Fälligkeitstag warten und den Rechnungsbetrag in voller Höhe angewiesen bekommen.

In jedem Fall erhöht das Bestehen einer "Confirming-Linie" die Sicherheit. Außerdem, so berichten hiesige Bankenvertreter, hebt es im Geschäftsverkehr die Kreditwürdigkeit des spanischen Geschäftspartners.

Kompletter Zahlungsausfall selten
Die Zahlungsmoral an sich wird als gut bezeichnet. Es kommt zu wenigen Zahlungsausfällen. Auch den Erhebungen von Intrum Justitia zufolge liegt Spanien unter den 26 Ländern bei den Zahlungsausfällen auf Platz 10 (Platz 1: Finnland; Platz 26: Litauen). Der Zahlungsausfall hat sich in Finnland 2010 gegenüber 2009 auf 2,0% verdoppelt, in Spanien ist er von 2,4 auf 2,5% angestiegen. In Litauen liegt er bei über 3,5%. Nur unterscheiden sich die spanischen Zahlungsgepflogenheiten eben deutlich von Deutschland.

Im Regelfall ist nicht davon auszugehen, dass die Rechnung nach 30 Tagen bezahlt wird, deshalb sind die üblichen Erinnerungs- und Mahnschreiben angebracht. Wurde nach dem dritten Schreiben nicht gezahlt beziehungsweise erfolgte keine Reaktion, empfiehlt sich die Inanspruchnahme professioneller Dienste.

Die Deutsche Handelskammer für Spanien bietet ein "Interventionsverfahren" an, was sich in vielen Fällen bewährt hat. Das spanische Unternehmen kann sich in einer kurzfristigen Liquiditätsklemme befinden, beim nicht zahlenden Unternehmen können Gegenrechnungen offen sein oder das Unternehmen kann sich plötzlichen Preiserhöhungen gegenübersehen. Der AHK-Service bringt dies relativ schnell in Erfahrung oder ob gegebenenfalls betrügerische Absicht besteht.

Er kann dem deutschen Unternehmen vor allem auch mitteilen, ob sich die Aufnahme eines Klageverfahrens und die Einschaltung einer Kanzlei, überhaupt lohnt.

Im positiven Fall rät die AHK dann dem deutschen Unternehmen die Inanspruchnahme einer deutschsprachigen Anwaltskanzlei. Im negativen Fall kann sie dem deutschen Unternehmen ein "Testat" ausstellen, das ihm - sofern eine Kreditversicherung abgeschlossen wurde - auf diesem Wege eventuell weiterhilft.

Quelle: Germany Trade & Invest

 

Fundstelle(n):
VAAAF-16461