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Online-Nachricht - Montag, 10.01.2011

Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug bei Zwischenschaltung von Leasinggesellschaften (EuGH)

Der EuGH hat zu der Frage Stellung genommen, ob ein Unternehmen rechtsmissbräuchlich handelt, wenn es zu dem Zweck, die nichtabzugsfähigen Vorsteuer zu staffeln, eine Leasingvertragsgestaltung unter Einschaltung eines Dritten wählt, anstatt die Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben ().

Sachverhalt: Im Ausgangsverfahren erbrachte ein britisches Unternehmen (A) vorwiegend von der Mehrwertsteuer befreite, den Vorsteuerabzug ausschließende Versicherungsdienstleistungen. A gründete eine Tochtergesellschaft (Leasinggesellschaft B), die sämtliche Ausrüstungsgegenstände, die A normalerweise benötigt, erwarb. B verleaste die Ausrüstungsgegenstände steuerpflichtig an eine dritte Gesellschaft (C), die die Gegenstände wiederum an A verleaste. B konnte die Vorsteuer aus der Anschaffung der Ausrüstungsgegenstände dadurch zunächst zu 100% abziehen; die Vorsteuer in den zeitlich gestaffelten Leasingraten war bei A letztlich jedoch nur zu 1% abziehbar. Durch diese Umsatzstaffelung brauchte A die benötigte Ausrüstung nicht unmittelbar zu erwerben und auch nicht den Gesamtbetrag der nicht abziehbaren Mehrwertsteuer auf diese Käufe in einem Zug zu entrichten. Die Vertragsgestaltung bezweckte, die Entrichtung der Vorsteuern der Höhe nach aufzuteilen und zeitlich zu staffeln, um die Steuerschuld der A aufzuschieben.

Hierzu führte der EuGH weiter aus: Der Steuervorteil, der sich daraus ergibt, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter auf Leasingumsätze zurückgreift, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, stellt grundsätzlich keinen Steuervorteil dar, dessen Gewährung rechtsmissbräuchlich wäre. Dies gilt jedoch nur, sofern die diese Umsätze betreffenden Vertragsbedingungen, insbesondere diejenigen betreffend die Festsetzung der Miethöhe, normalen Marktbedingungen entsprechen und die Beteiligung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen nicht geeignet ist, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen zu bilden, was im Streitfall das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Umstand, dass dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, ist insoweit ohne Belang. Stellen bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis dar, sind diese Umsätze in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die Vertragsbedingungen mit Missbrauchscharakter und/oder die Mitwirkung dieser Gesellschaft bestanden hätte.

Quelle: EuGH online

Rechtslage in Deutschland: Die Entscheidung des EuGH ist für die deutsche Umsatzbesteuerung bemerkenswert, weil die deutsche Finanzverwaltung die Vorschaltung von Investitionsgesellschaften kritisch und jedenfalls dann für rechtsmissbräuchlich hält, wenn eine endgültige Vorsteuerentlastung entsteht ( NWB KAAAA-77040, auf das Abschn. 15.2 Abs. 22 UStAE hinweist). Hinsichtlich der Zuordnung gemischt genutzter Gebäudeteile zum Unternehmensvermögen (sog. Seeling-Effekt) hat der deutsche Gesetzgeber im JStG 2010 den Steuerstundungseffekt durch Versagung des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1b UStG) mit Wirkung für die Zukunft unterbunden. Auf betriebliche Investitionen kann diese Regelung indes nicht ausstrahlen, denn der vom EuGH gebilligte Umsatzsteuer-Stundungseffekt würde – anders als bei privat mitgenutzten Gegenständen – ebenso eintreten, wenn der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer seine Investitionen mittels Leasing mit einem nicht nahestehenden Unternehmen vornimmt. Deshalb überzeugt die Entscheidung des EuGH.


 

Fundstelle(n):
TAAAF-16401