Kindergeld | Fallbeil-Wirkung durch VBL-Pflichtversicherung des Kindes (BFH)
Beiträge eines Kindes zur tarifvertraglich vorgesehenen Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sind bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht von dessen Einkünften abzuziehen, wenn das Kind gesetzlich rentenversichert ist (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin bezog für ihre im Jahr 1983 geborene Tochter (T) Kindergeld. T wurde im Streitzeitraum Januar 2005 bis einschließlich September 2005 zur operationstechnischen Assistentin ausgebildet. Danach war T bis zum Jahresende arbeitslos. T erzielte im Zeitraum Januar bis September 2005 einen Bruttoarbeitslohn von 8.498,79 EUR sowie steuerfreie Zuschläge für Sonntags-/Nachtarbeit von 30,72 EUR. Der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag belief sich auf 1.775,42 EUR. Der Arbeitgeber führte für T Beiträge in Höhe von 116,20 EUR an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für die Pflichtversicherung VBLklassik ab. Diese Pflichtversicherung ist für Beschäftigte von Arbeitgebern, die eine Beteiligungsvereinbarung mit der VBL abgeschlossen haben, tarifvertraglich vorgeschrieben. Der Ausbildungsvertrag der T sah eine sinngemäße Anwendung des entsprechenden Tarifvertrags vor. Die beklagte Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 2005 auf. Nach der Berechnung der Familienkasse überstiegen die Einkünfte und Bezüge der T den maßgeblichen anteiligen Grenzbetrag.
Dazu führt der BFH weiter aus: Die Beiträge zur VBL-Pflichtversicherung mindern die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht, wenn das Kind --wie im Streitfall-- in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist. Die Einbeziehung der VBL-Pflichtversicherungsbeiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine gesetzliche Versicherungspflicht bei der VBL bzw. eine gesetzliche Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen zur sog. VBL-Pflichtversicherung besteht nicht. Für die Entscheidung, ob Einkünfte dem Kind von Gesetzes wegen nicht zur Verfügung stehen, ist maßgeblich, ob sich das Kind der Zahlung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung nicht entziehen kann. Nicht entscheidend ist, ob die fraglichen Beträge vom Arbeitgeber einzubehalten sind (Senatsurteil vom - NWB IAAAC-35168).
Im Streitfall beruhen der Abschluss der Versicherung und damit auch die Entrichtung der Beiträge nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung. Vielmehr verweist der Ausbildungsvertrag der T auf tarifvertragliche Vorschriften, aus denen sich die Versicherungspflicht ergibt. Durch die Bezugnahme in einem Ausbildungs- bzw. Arbeitsvertrag auf tarifliche Regelungen werden diese zum Inhalt des Ausbildungsvertrags (vgl. ErfK/Franzen, § 3 TVG Rz 32). Wenn danach Anteile der Einkünfte und Bezüge als Versicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt werden, beruht dies auf Tarifvereinbarungen, die im Interesse der Beschäftigten ausgehandelt werden und die sich T zurechnen lassen muss.
Nur durch die Einbeziehung der VBL-Beiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag wird eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare Ungleichbehandlung mit den Fällen vermieden, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist und sich -unabhängig von einer tarifvertraglichen Vorschrift- zusätzlich privat gegen dieselben Risiken versichert, wie sie die VBL-Pflichtversicherung abdeckt. Die Beiträge zu einer solchen privaten Rentenversicherung sind bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag überschreiten, nicht abziehbar (Senatsurteil v. - NWB TAAAC-68442). Wenn für die Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen im Ergebnis allein der Inhalt des betreffenden Tarifvertrags maßgeblich wäre, würden Eltern ungerechtfertigt benachteiligt, deren Kinder ohne eine entsprechende tarifvertragliche Vorschrift eine private Altersvorsorge treffen.
Quelle: BFH online
Anmerkung der NWB-Redaktion: Das Ergebnis dieses Urteils ist unbefriedigend. Das verfügbare Einkommen des Kindes war durch die Zahlung der tarifvertraglich festgelegten Zahlungen von 116,20 € an die VBL tatsächlich gemindert. Insofern bestand eben keine Gleichheit gegenüber einem auszubildenden Kind, das diese tarifvertragliche Regelung nicht genoss. Auch bei der nachgelagerten Besteuerung der Altersbezüge wird sich diese Ungleichbehandlung zeigen. Ärgerlich aber ist, dass der den Grenzbetrag überschreitende Betrag von 43,37 € zur Versagung der Kinderentlastung (Kindergeld und Kinderfreibetrag ) führt. Erst kürzlich hat das BVerfG den sog. Fallbeileffekt bei Anrechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes in einem Fall für verfassungsgemäß erklärt, in dem der Grenzbetrag um 4,34 € überschritten war ( NWB VAAAD-48203). Danach hat der Gesetzgeber seine Befugnis zur Pauschalierung und Typisierung nicht dadurch überschritten, dass er die Grenzbetragsregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gesetzestechnisch als Freigrenze und nicht als Freibetragsregelung ausgestaltet hat, weil dies den Vollzug dieser Norm erheblich vereinfacht.
Fundstelle(n):
LAAAF-15637