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Online-Nachricht - Mittwoch, 01.09.2010

Außergewöhnliche Belastungen | Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige (BFH)

Der BFH hat seine Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Verwandte/Ehegatten als außergewöhnliche Belastungen geändert. Die Bedürftigkeit der unterstützten Verwandten, die bisher dem Grunde nach unterstellt werden durfte, muss nun konkret bestimmt werden. Dagegen muss bei einer im Ausland lebenden Ehefrau weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit überprüft werden ( und VI R 5/09; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Unterhaltsaufwendungen sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar, wenn die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind die Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem Zivilrecht unterhaltsverpflichtet ist. Dies sind u. a. Verwandte in gerader Linie (Kinder, Enkel, Eltern). Allerdings setzt die Unterhaltsberechtigung insoweit zivilrechtlich die Unterhaltsbedürftigkeit der unterhaltenen Person voraus (§ 1602 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH konnte im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise die Bedürftigkeit der unterstützten Person dem Grunde nach unterstellt werden (sog. abstrakte Betrachtungsweise).

Sachverhalt I: Der Kläger, unterstützte seine drei in der Türkei lebenden Kinder. Alle drei Kinder sind verheiratet und haben jeweils drei minderjährige Kinder. Die drei Familien bewirtschaften Land, das dem Kläger gehört, und wohnen in Häusern, die ebenfalls dem Kläger gehören. Alle erwachsenen Kinder des Klägers haben keine Berufsausbildung. Für sie liegen von den türkischen Behörden erstellte Unterhaltsbescheinigungen sowie Meldungen darüber vor, dass sie arbeitslos und arbeitssuchend sind.

Dazu führt der BFH weiter aus: Der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung der Verwandten in gerader Linie gemäß § 1601 BGB ist die gesetzliche Unterhaltsberechtigung i.S. des § 1602 BGB gegenüberzustellen. Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsberechtigt nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Nach § 1602 Abs. 1 BGB setzt die Unterhaltsberechtigung somit die Bedürftigkeit der unterhaltenen Person voraus (sog. konkrete Betrachtungsweise). Dabei sind die Ursachen der Bedürftigkeit grundsätzlich unerheblich. Die Bedürftigkeit volljähriger Kinder ist beispielsweise gegeben, wenn diese weder Vermögen haben noch Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielen. Mögliche Einkünfte aus einer unterlassenen Erwerbstätigkeit stehen der Bedürftigkeit entgegen, falls eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Insoweit besteht insbesondere für volljährige Kinder eine generelle Erwerbsobliegenheit, es sei denn, dieser kann aufgrund besonderer Umstände wie z.B. Krankheit oder Behinderung oder Arbeitslosigkeit, trotz ordnungsgemäßer Bemühung um eine Beschäftigung, nicht Folge geleistet werden. An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Änderung des § 33a Abs. 1 EStG im JStG 1996 nichts geändert. Das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit war zwar durch den Begriff der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung ersetzt worden. Dies ist jedoch nicht in dem Sinn zu verstehen, dass die Bedürftigkeit der unterstützten Person nicht mehr zu prüfen ist. Das im JStG 1996 unverändert beibehaltene Tatbestandsmerkmal "gesetzlich unterhaltsberechtigt" setzt vielmehr die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen voraus, wie sie bis zur gesetzlichen Änderung bestanden hat. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es zwar auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung nicht ankommt, die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs - Anspruchsgrundlage, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit (§§ 1601 bis 1603 BGB) - aber vorliegen müssen und auch die Unterhaltskonkurrenzen (z.B. §§ 1606, 1608 BGB) zu beachten sind. Das Gesetz stellt ausdrücklich darauf ab, dass Aufwendungen gegenüber einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person erbracht werden.

Anmerkung der NWB-Redaktion: Nach dieser Entscheidung ist künftig auch zu Recht die Unterhaltsbedürftigkeit eines Unterhaltsempfängers zu prüfen und nachzuweisen. Gerade bei Auslandssachverhalten wird man hier mit widerlegbaren Vermutungen arbeiten und im Zweifelsfall beachten müssen, dass der Steuerpflichtige. die Feststellungslast trägt.

Sachverhalt II: Im zweiten Fall unterstützte der Kläger im Jahr 2006 seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Söhne, die alle in Bosnien-Herzegowina lebten. Der Kläger machte in seiner Steuererklärung für das Streitjahr Unterhaltsleistungen für bedürftige Personen als außergewöhnliche Belastungen geltend. Nach den Angaben in einer vom Kläger vorgelegten Unterhaltsbescheinigung war die Ehefrau nicht beruflich tätig und verfügte weder über Einkommen noch über Vermögen. Das Finanzamt berücksichtigte die Unterhaltszahlungen an die Ehefrau nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos. 

Dazu führt der BFH weiter aus: Die Beantwortung der Frage, ob ein Unterhaltsanspruch vorliegt, richtet sich nach inländischem Recht, d.h. nach den Vorschriften des BGB. Dies gilt nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG auch für in der Bundesrepublik Deutschland lebende ausländische Steuerpflichtige, die ihre Angehörigen im In- oder Ausland unterstützen. Der Kläger ist nach inländischem Recht seiner Ehefrau gegenüber gesetzlich unterhaltsverpflichtet. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers folgt aus §§ 1360, 1360a BGB. Danach sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 BGB). Nach dem Leitbild des Gesetzes trägt in einer intakten Ehe jeder Ehegatte entsprechend der vereinbarten Rollenverteilung in seiner jeweiligen Funktion zum Familieneinkommen bei. Die Verpflichtung zum Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB schließt jedoch ein, dass beide Ehegatten für den angemessenen Unterhalt auch ihre eigene Arbeitskraft einsetzen müssen. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft darauf angelegt haben, dass ein Partner sich auf den häuslichen Bereich beschränkt, während der andere Partner die finanzielle Basis für die Lebensgemeinschaft erwirtschaftet. Eine Erwerbsverpflichtung besteht nur in Notfällen, wenn die Arbeitskraft eines Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts nicht ausreicht. Das Finanzgericht hat verkannt, dass Ehegattenunterhalt anders als Verwandtenunterhalt gemäß § 1601 BGB auch jenseits der Bedürftigkeit geschuldet wird. Ein Verwandter, nicht aber der haushaltsführende Ehegatte, ist nach § 1602 BGB verpflichtet, zunächst seine Arbeitskraft zu verwerten.

Anmerkung der NWB-Redaktion: Im Fall des Auslandsehegatten fungiert der Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG als Ersatz für das dem Ehepaar verwehrte Ehegattensplitting. Auch beim Ehegattensplitting wird weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit des Ehegatten geprüft.

Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
ZAAAF-15599