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Online-Nachricht - Donnerstag, 12.08.2010

Einkommensteuer | "Fallbeil-Grenzbetrag" beim Kindergeld GG-konform (BVerfG)

Eltern, deren Kind mit seinen Einkünften und Bezügen den Jahresgrenzbetrag nur um 1 € überschreitet, erhalten für ihr Kind kein Kindergeld. Der harte Fallbeileffekt der Freigrenze entspricht der Verfassung ().


Sachverhalt: Der Beschwerdeführer bezog für seinen Sohn, der sich in den Jahren 2002 bis 2006 in Berufsausbildung befand, Kindergeld. Die Familienkasse bewilligte für das Jahr 2005 kein Kindergeld, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680 Euro um 4,34 Euro überschritten. Die dagegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers blieb vor den Finanzgerichten ohne Erfolg. Das BVerfG hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Dazu führt das BVerfG weiter aus: Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor, insbesondere wird der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung sowie die gesetzliche Festlegung des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Gewährung des Kinderfreibetrags beziehungsweise des Kindergelds davon abhängig macht, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist. Typisierend darf der Gesetzgeber hierbei von dem für erwachsene Steuerpflichtige geltenden Grundfreibetrag ausgehen. Dieser liegt im Streitjahr über den Leistungen in Form des Kinderfreibetrags beziehungsweise des Kindergelds und über den vom Bundesverfassungsgericht als nicht evident unzureichend angesehenen staatlichen Sozialhilfeleistungen, so dass das Kinderexistenzminimum in jedem Fall vor dem steuerlichen Zugriff verschont wird. Mehr gebietet das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht. Insbesondere gebietet es keine mehrfache Freistellung des Existenzminimums, wie sie vom Beschwerdeführer dadurch angestrebt wird, dass neben dem Existenzminimum seines Kindes durch den Grundfreibetrag zusätzlich noch der Kinderfreibetrag beziehungsweise Kindergeld gewährt werden soll, obwohl das Kind mit seinen Einkünften selbst in Höhe des Grundfreibetrags verschont bleibt.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Grenzbetragsregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gesetzestechnisch als Freigrenze und nicht als Freibetragsregelung auszugestalten, liegt im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Regelung vereinfacht den Vollzug der betroffenen Norm durch die Finanzverwaltung erheblich. Denn bei einer gleitenden Übergangsregelung durch einen Freibetrag ergäbe sich ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand, da bei Einkünften und Bezügen des Kindes über dem Grenzbetrag jeweils deren genaue Höhe festgestellt und bei der Berechnung des verbleibenden Kindergeldanspruchs der Eltern mit deren individuellem Steuersatz umgerechnet werden müsste.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung 61/2010

 

Fundstelle(n):
QAAAF-15482