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Online-Nachricht - Dienstag, 27.07.2010

Einkommensteuer | Anrechnung und Erstattung von Vorauszahlungen bei Scheidungen (FG)

Ein Anspruch auf Anrechnung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer steht demjenigen zu, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt wurde. Auch bei Ehegatten kommt es dabei darauf an, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden aus Sicht des Finanzamts, getilgt werden sollte. Treffen Eheleute keine Bestimmung, steht bei Erstattungen jedem Ehegatten die Hälfte zu ().


Sachverhalt: Der Kläger erzielt als Tierarzt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Er lebte im Streitjahr 2001 mit seiner damaligen Ehefrau, die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielte, zusammen. Laut Feststellungen des Familiengerichts, das später die Scheidung aussprach, dauerte dieses Zusammenleben bis Ende 2001 oder Anfang 2002 an. Der Kläger leistete für die Einkommensteuer des Jahres 2001 Vorauszahlungen, die das beklagte Finanzamt aufgrund einer Einzugsermächtigung von seinem Konto abbuchte. Mit ihrer Einkommensteuererklärung vom beantragte die Ex-Ehefrau des Klägers getrennte Veranlagung für das Jahr 2001. In der Folge kam es zu einem Briefwechsel zwischen Kläger und Beklagtem über die Anrechnung der Vorauszahlungen: Das beklagte Finanzamt bot an, die Vorauszahlungen bis September 2001 dem Kläger zu ½, danach ganz zuzurechnen. Der Kläger wandte ein, er habe die Vorauszahlungen im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe geleistet und habe deshalb Anspruch auf vollständige Anrechnung, zumindest aber auf Anrechnung im Verhältnis der Einkünfte der Eheleute, also zu ca. 77 %. Der gegen den Kläger ergangene Einkommensteuerbescheid für 2001 enthielt keine Anrechnung der Vorauszahlungen und setzte eine Zahllast i.H.v. 15.090,63 EUR fest. Der Betrag wurde durch Abbuchung beglichen. Im Dezember 2004 erhielt der Kläger eine Erstattung in Höhe des vollen Betrages der Vorauszahlungen, nämlich i.H.v. 23.298,00 EUR, teils durch Anrechnung auf geschuldete Umsatzsteuer, teils durch Überweisung auf sein Konto. Mit Bescheid vom forderte das beklagte Finanzamt die Hälfte des Betrages zurück und bestätigte diese Forderung mit Einspruchsentscheidung vom : Die Erstattung an den Kläger sei nur zur Hälfte gerechtfertigt gewesen.

Dazu führt das Gericht weiter aus: Die Steuerrückzahlung an den Kläger i.H.v. 23.298,00 EUR erfolgte i.H.v. 19.497,78 EUR mit rechtlichem Grund. Der Kläger hatte gem. § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung der von ihm beglichenen Zahllast i.H.v. EUR 15.090,63, die mit Einkommensteuerbescheid des Beklagten für 2001 vom zu Unrecht festgesetzt worden war.

Die Festsetzung war deswegen rechtswidrig, weil die Zahllast nicht bestand; denn der Kläger hatte gem. § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG Anspruch darauf, dass die von ihm geleisteten Vorauszahlungen für 2001 i.H.v. 23.298,00 EUR auf seine Einkommensteuerschuld im Jahre 2001 angerechnet wurden, so dass keine verbleibende Zahllast entstand.

Anrechnungsberechtigt ist derjenige, auf dessen Rechnung die Vorauszahlung bewirkt wurde. Dabei kommt es darauf an, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar ist, getilgt werden sollte. Der dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbare Wille des zahlenden Klägers, wie überhaupt jedes Vorauszahlungen Leistenden, wenn er nicht ausdrücklich anderes bekundet, ist nach Auffassung des erkennenden Senates in erster Linie – und noch vor möglichen weiteren Differenzierungen – darauf gerichtet, möglichst umfassend die zu erwartenden Steuerschulden, gleichgültig ob es, wie bei zusammenlebenden Eheleuten in der Regel zu erwarten, eine gemeinsame Steuerschuld oder bei anderweitigen Entschlüssen, auf die der Vorauszahlungen Leistende möglicherweise keinen Einfluss hat, getrennte Steuerschulden sein werden.

Dies folgt einmal aus der erkennbaren Interessenlage des Vorauszahlung Leistenden. Er zahlt nämlich offenbar in erster Linie, um eine spätere Zahllast sowohl aus eigener als auch ggfls. aus der Steuerschuld des Ehepartners zu vermeiden. Ein Interesse, möglicherweise mit eigener Zahllast belastet zu bleiben und Erstattungsguthaben für den Ehepartner „anzusparen”, ist demgegenüber nicht zu vermuten. Einen dahingehenden Willen – ohne ausdrückliche Erklärung – erkennen zu wollen, erscheint dem Senat abwegig. Zum zweiten ergibt sich die genannte Zielrichtung des Vorauszahlungen Leistenden auch unmittelbar aus dem Gesetz. In § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG heißt es nämlich: „Der Steuerpflichtige hat … Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird.” Sinn und Zweck dieser Regelung ist, die Zahlungen auf die Steuerschuld so zu „kanalisieren”, dass zum einen der Steuerpflichtige nicht auf einmal mit hohen, von ihm möglicherweise so nicht erwarteten Zahllasten konfrontiert wird und dass zum anderen für den Fiskus ein gleichmäßiger und regelmäßiger Steuerfluss bewirkt wird und die ihm zustehenden Steuerforderungen gesichert werden, dass also mögliche spätere Illiquidität des Steuerschuldners nicht zu Lasten des Fiskus gehen.

War somit die Steuerschuld des Klägers durch Anrechnung der von ihm geleisteten Vorauszahlungen getilgt, so dass er Anspruch auf Erstattung des zu Unrecht nochmals gezahlten Betrags hatte, so folgt sein Anspruch auf Erstattung eines weiteren Betrags aus § 37 Abs. 2 AO unter dem Gesichtspunkt überschüssiger Vorauszahlung. Die Vorauszahlungsleistungen des Klägers überschritten die Summe der endgültig festgesetzten und nicht durch Lohnsteuerabzug gedeckten Steuerschulden der beiden Ehegatten um 7.480,44 EUR.

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BFH, Urteil vom NWB NAAAB-75617 an, wonach der Erstattungsanspruch auf die Ehepartner je zur Hälfte aufzuteilen ist, wenn – wie vorliegend – die Vorauszahlungen während des Zusammenlebens der Eheleute ohne weitere Bestimmung geleistet wurden.

Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Quelle: NWB-Datenbank

 

Fundstelle(n):
SAAAF-15383