Suchen
Online-Nachricht - Mittwoch, 23.06.2010

Umsatzsteuer | Keine Organschaft ohne finanzielle Eingliederung (BFH)

Sind an Schwestergesellschaften jeweils dieselben Personen beteiligt und besteht sonst keine direkte Beteiligung einer Gesellschaft an der anderen, entsteht mangels finanzieller Eingliederung kein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Die Klägerin, eine KG, vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine GmbH, und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH. Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A. Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Im Anschluss an eine Außenprüfung war das Finanzamt (FA) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege.

Dazu führt der BFH weiter aus: Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor. Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen „untergeordneten Personen“ (vgl. NWB ZAAAC-80207, Ampliscientifica und Amplifin).  Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der NWB NAAAA-76443, spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

Hinweis: Der BFH gibt damit seine bisherige Rechtsprechung auf. Nach dem Urteil des BFH kann eine GmbH nicht mittelbar über mehrere gemeinsame Gesellschafter in eine Schwester-KG eingegliedert sein. Der BFH stützt dies insbesondere darauf, dass die Organschaft ein klares Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetzt, an dem es zwischen Schwestergesellschaften zumindest für die jetzt entschiedene Fallkonstellation fehlt.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB-Redaktion: Diese Rechtsprechungsänderung führt zu einer umsatzsteuerrechtlich überzeugenden Gleichbehandlung von Schwester-Kapital- und -Personengesellschaften. Gehören die eine Stimmenmehrheit vermittelnden Anteile mehreren Gesellschaftern, fehlt es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft unerlässlichen finanziellen Eingliederung. Die ertragsteuerliche Sonderbetriebsvermögenszuordnung der Anteile an der Kapitalgesellschaft bei der Schwester-Personengesellschaft hält der BFH nicht mehr für umsatzsteuerrelevant. Offen bleibt, ob finanzielle Eingliederung weiterhin angenommen wird, wenn ein Gesellschafter allein die Schwestergesellschaften beherrscht (es klingen in der Urteilsbegründung Zweifel an). Der BFH sieht die Rechtsprechungsänderung der Rechtssicherheit „geschuldet“. Unentschieden ließ es der BFH ferner, ob die finanzielle Eingliederung wie bisher vorliegt, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften ein Beherrschungsvertrag besteht oder zu Gunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen.

 

Fundstelle(n):
OAAAF-15166