Einkommensteuer | Behandlung von Schuldzinsen nach einer Betriebsaufgabe (FG)
Wirtschaftliche Überlegungen des Steuerpflichtigen sind nicht geeignet, den Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung anlässlich der Beendigung einer selbstständigen Tätigkeit (§ 18 EStG) einzuschränken (FG Niedersachen, Urteil v. - 12 K 10235/07; veröffentlicht am ). Die Revision wurde zugelassen.
Hintergrund: Schuldzinsen für betrieblich begründete und bei Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe zurückbehaltene Verbindlichkeiten sind nur insoweit nachträgliche Betriebsausgaben, als sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten beglichen werden können (vgl. z.B. NWB AAAAA-69662, m.w.N.). Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen nur solche der Verwertung zurückbehaltenen Aktivvermögens entgegenstehende Hindernisse, die ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben (vgl. NWB DAAAC-49677).
Hierzu führte das Gericht weiter aus: Im Zeitpunkt der Aufgabe der chefärztlichen Tätigkeit der Klägerin bestand im Streitfall zunächst ein rechtliches Hindernis, die zu dieser Zeit noch valutierende Darlehensverbindlichkeit abzulösen. Zwar verfügte die Klägerin im Zeitpunkt der Aufgabe über ausreichende finanzielle (betriebliche) Mittel, um das streitgegenständliche Darlehen vollständig zurückzuführen. Indes war sie hierzu unter Berücksichtigung des mit der kreditgewährenden Bank geschlossenen Darlehensvertrages nicht berechtigt. Das zunächst in rechtlicher Hinsicht bestehende Hindernis einer Darlehensrückführung ist jedoch später mit dem von der Bank als Darlehensgeberin (unstreitig) erklärten Einverständnis zu einer vollumfänglichen Darlehensrückführung gegen Gewährung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Wegfall geraten. Dass sich die Klägerin gleichwohl hierauf nicht eingelassen hat, beruhte allein auf den von ihr angestellten wirtschaftlichen Erwägungen. Diese sind im Streitfall jedoch nicht geeignet, eine Abweichung vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung bei ausreichendem Aktivvermögen ohne entgegenstehende tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse zu rechtfertigen. Denn wirtschaftliche Aspekte vermögen kein Hindernis für die Ablösung bei Betriebsaufgabe bestehender betrieblicher Verbindlichkeiten bei in ausreichendem Maße vorhandenem Aktivvermögen zu begründen. Will ein Steuerpflichtiger demnach trotz ihm in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht möglicher Schuldentilgung aus wirtschaftlichen Gründen hiervon Abstand nehmen, weil er - z.B. wie die Klägerin im Streitfall - weiterhin über die Höhe der von ihm geschuldeten Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln will oder weil er sich aus der anderweitigen Verwendung des Aktivvermögens höhere Renditen oder andere Vorteile verspricht, so muss er es hinnehmen, dass die betriebliche Schuld in sein Privatvermögen übergeht und die für die Darlehensverbindlichkeit zu entrichtenden Zinsen nicht mehr als (nachträgliche) Betriebsausgaben einkommensmindernde Berücksichtigung finden können.
Anmerkung: Das Gericht hat jedoch die Revision zugelassen, da der Rechtssache im Hinblick auf die Einbeziehung wirtschaftlicher Interessen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Ablösung betrieblicher Verbindlichkeiten anlässlich einer Betriebsaufgabe grundsätzliche Bedeutung zukomme. Ein Aktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.
Quelle: FG Niedersachsen online
Fundstelle(n):
YAAAF-15021