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Online-Nachricht - Freitag, 09.04.2010

Brandenburg | Zeitnahe Betriebsprüfung im Test ab April 2010 (FinMin)

Die Finanzverwaltung des Landes Brandenburg startet im April 2010 mit der sogenannten „zeitnahen Betriebsprüfung“. Die neu entwickelte Prüfungsmethode kann unmittelbar nach Abgabe der betrieblichen Steuererklärung angewandt werden.


Durch die zeitnahe Betriebsprüfung soll bei der Prüfung von Unternehmen der Zeitabstand der Prüfung selbst zum Prüfungsjahr verkürzt werden, von Prüfungen im Drei- (oder Mehr-) Jahresrhythmus wird Abstand genommen. Stattdessen prüft man zeitnah nach Eingang der Steuererklärung nur das aktuelle Jahr, für das die letzte Steuererklärung abgegeben worden ist. Mit dem jetzt vollzogenen Start, bei dem eine zuvor ausgewählte Gruppe von Unternehmen in die zeitnahe Betriebsprüfung einbezogen werde, möchte man beiderseitige Erfahrungen sammeln, um sie später verallgemeinern zu können. Ein Rechtsanspruch auf die Durchführung einer zeitnahen Betriebsprüfung besteht derzeit nicht. „Eine solche zeitnahe Betriebsprüfung“, so Staatssekretärin Daniela Trochowski, „hat gegenüber der herkömmlichen Prüfung wirtschaftliche Vorteile: Die Unternehmen gewinnen im Hinblick auf die Beurteilung steuerlich relevanter Vorgänge durch die Finanzverwaltung schnellere Rechts- und Planungssicherheit. Eventuell fällig werdende Nachzahlungen müssen nicht für mehrere zurückliegende Jahre, sondern nur für ein Jahr getätigt werden. Die Vorteile für das Land beziehen sich neben der weitaus früheren Einnahmesicherheit auch auf die Vermeidung häufig viele Jahre zurück liegender Rechtsstreitigkeiten. Als neue Prüfungsmethode stehe die zeitnahe Betriebsprüfung bundesweit noch am Anfang. Somit lägen noch keine belastbaren Erfahrungswerte vor. Die Staatssekretärin unterstrich: „Brandenburgs Finanzverwaltung übernimmt hierbei bundesweit eine Pilotfunktion.Hintergrund: Die neue Prüfungsmethode umfasst im Regelfall ein Prüfungsjahr; sie erfolgt zeitnah nach Abgabe der Steuererklärung und wird vorrangig bei der Prüfung von großen Betrieben angewendet. Bislang erstrecken sich die steuerlichen Betriebsprüfungen meist auf einen Zeitraum von drei (und mehr) Jahren, wobei das letzte Prüfungsjahr günstigstenfalls ein Jahr zurück liegt. Vor allem bei größeren Betrieben und Konzernen werden häufig Zeiträume geprüft, die bei Prüfungsbeginn bereits drei bis vier Jahre und in Einzelfällen noch weiter zurück liegen. Gesetze und Rechtsverordnungen, die den Ablauf von steuerlichen Betriebsprüfungen regeln, legen zumeist auch diesen herkömmlichen Dreijahreszeitraum zugrunde. Mit der zeitnahen Betriebsprüfung wird diese Langfristigkeit durchbrochen.
Quelle: FinMin Brandenburg, Pressemitteilung 
Hinweis: Auch in Nordrhein-Westfalen hat sich die Finanzverwaltung mit der Frage der Zweckmäßigkeit kürzerer Prüfungszeiträume beschäftigt und die Strategie der „zeitnahen Betriebsprüfung” oder der „Prüfung im Jahrestakt” entwickelt. Diese Strategie hat das FinMin NRW zuletzt in einem NWB UAAAD-27745  zusammengefasst. Der Erlass benennt eine Reihe von Gründen, die bei Großbetrieben für eine größere Zeitnähe bei der Durchführung von Betriebsprüfungen spricht. Die für die Prüfung von Großbetrieben zuständigen Finanzämter für Groß- und Konzernbetriebsprüfung werden aufgefordert, aus ihrem jeweiligen Fallbestand einen Anteil von geeigneten Fällen auszuwählen, in denen zukünftig „zeitnahe Betriebsprüfungen” erfolgen sollen.
Die Abkehr vom bislang üblichen Dreijahresturnus hin zu einer jährlichen Prüfung bringt für die geprüften Betriebe Vor- und Nachteile mit sich. Als Vorteile sind zu nennen:

  • Im Fall von Steuernachzahlungen verringert sich die Zinsbelastung aus der Vollverzinsung des § 233a AO.

  • Von der Betriebsprüfung festgestellte „Fehler” bei der steuerlichen Behandlung von Dauersachverhalten können früher abgestellt werden und führen in späteren Prüfungszeiträumen nicht mehr zu Steuernachzahlungen.

  • Sachverhalte, die bei der Betriebsprüfung einer ungünstigen Rechtsbeurteilung unterworfen wurden, können frühzeitig sachverhaltlich anders gestaltet werden.

  • Die Einordnung und Behandlung komplexer Sachverhalte im Wege einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzverwaltung können schneller auch in den Folgejahren umgesetzt werden.

Die Nachteile aus einem einjährigen Prüfungszeitraum resultieren im Wesentlichen aus dem Umstand, dass nach dem für Großbetriebe einschlägigen Prinzip der Anschlussprüfung die betroffenen Betriebe nicht mehr nur alle drei Jahre, sondern jährlich eine steuerliche Außenprüfung erdulden müssen. Dies kann im Bereich der internen und externen administrativen Belastungen und Kosten zu einem Multiplikatoreffekt führen.
Als Belastungen durch eine Betriebsprüfung sind z. B. zu nennen:  

  • Die Zurverfügungstellung geeigneter Räumlichkeiten,

  • die Bereitstellung der Buchführungsunterlagen,

  • die Beantwortung von Rückfragen der Prüfer oder das Beibringen sonstiger, ergänzender Unterlagen,

  • das Erfordernis interner Abstimmungen zwischen Fachabteilungen und Entscheidungsträgern des Unternehmens oder mit dem steuerlichen Berater,

  • die Teilnahme an Zwischen- und Schlussbesprechungen,

  • die Kosten für die externe Unterstützung und Begleitung durch den steuerlichen Berater.

Die Quantifizierung des Multiplikatoreffekts dieser Belastungen und Kosten ist letztlich schwer durchzuführen, dem Grunde nach aber evident. Tendenziell führt die Möglichkeit, einen einheitlichen Prüfungsprozess jahrgangsübergreifend begleiten und bearbeiten zu können, dazu, dass viele der genannten Belastungsfaktoren für einen mehrjährigen Prüfungszeitraum insgesamt nur einmal statt jährlich wirksam werden. Darüber hinaus ergeben sich bei den externen Kosten aus der steuerlichen Beratung Degressionseffekte. Neben diesen sachlichen Vorteilen können sich auch materielle Vorteile aus mehrperiodigen Prüfungszeiträumen ergeben: So kann der im Zeitablauf eingetretene Erkenntnisfortschritt für die Sachverhaltsbeurteilung des Prüfungszeitraums erhellend wirken,etwa bei der Beurteilung der Angemessenheit der Bewertung von Rückstellungen oder der Teilwertabschreibungen auf Forderungen.
 


 

Fundstelle(n):
IAAAF-14653