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Online-Nachricht - Freitag, 15.01.2010

Beschluss des BFH (GrS) zum Aufteilungsverbot | Tragweite und Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des Großen Senats stellt klar, dass sich aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot ableiten lässt. Damit verschiebt sich das Regel- Ausnahmeprinzip endgültig dahin, dass bei sowohl beruflich als auch privat veranlassten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zukünftig grundsätzlich von einer Aufteilungsmöglichkeit ausgegangen werden kann.


Hintergrund der Entscheidung: Im Streitjahr besuchte der im Bereich der Informationstechnologie berufstätige Kläger über 4 Tage eine Computer-Messe in Las Vegas. Insgesamt verbrachte der Kläger allerdings 7 Tage in den USA. Das FA versagte den Werbungskostenabzug. Das FG Köln gab der Klage teilweise statt und erkannte - neben Tagungsgebühren und den Kosten für 4 Übernachtungen - 4/7 der Flugkosten unter teilweiser Abkehr vom sog. Aufteilungsverbot als Werbungskosten an (FG Köln, Urteil vom NWB KAAAB-08770).Nach Vorlage an den GrS (BFH, Beschluss vom NWB HAAAC-26724) hat dieser die Entscheidung des FG Köln nunmehr bestätigt.

Beschluss des Großen Senats des BFH: Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei einer sowohl beruflich als auch privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind (BFH-Beschluss vom NWB EAAAD-35188).

Praxishinweis von Dr. Alfred Hollatz, Richter am FG Köln:


Die Entscheidung stellt klar, dass sich aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot ableiten lässt und führt so endgültig zu einer Verschiebung des Regel- Ausnahmeprinzips hin zur Bejahung einer grundsätzlichen Aufteilungsmöglichkeit. Entgegen der landläufig von der Verwaltung vertretenen Ansicht hängt das Gelingen eines ordnungsgemäßen Besteuerungsverfahrens eben nicht von der Existenz eines Aufteilungsverbots ab.

Andererseits bleibt die Rechtsprechung dabei, dass jedenfalls solche Aufwendungen, die nur in einem losen, allenfalls mittelbaren Zusammenhang zur Berufstätigkeit stehen (sog. Repräsentationsaufwendungen) grundsätzlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung bleiben. Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr durchaus entsprechend aufteilen. Derartige Aufwendungen sind aber über das steuerliche Existenzminimum abgedeckt und deshalb nach wie vor grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen.

Der BFH betont ausdrücklich die Notwendigkeit einer jeweils wertenden Beurteilung des die Aufwendungen "auslösenden Moments" und fordert eine Gewichtung der verschiedenen Veranlassungsbeiträge, aus der sich im Einzelfall ergeben kann, einen anderen als einen zeitanteiligen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen, wobei Zweifel für eine berufliche Veranlassung zulasten des Steuerpflichtigen gehen. Aber auch bei unstreitig teilweiser beruflicher Veranlassung sind die Aufwendungen insgesamt nicht abziehbar, wenn es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung im Schätzungswege fehlt. Andererseits können die Kosten der Hin- und Rückreise im Falle einer Wahrnehmung eines beruflichen Termins aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers auch dann in vollem Umfang beruflich veranlasst sein, wenn der Steuerpflichtige den beruflichen Pflichttermin mit einem vorangehenden oder nachfolgenden Privataufenthalt verbindet.

Auswirkungen auf andere Lebenssachverhalte
Im entschiedenen Fall des Computerfachmanns machte die Aufteilung der Reisekosten letztlich keine größeren Probleme, weil die Gesamtdauer der Reise und ebenso die beruflich veranlassten Zeitanteile feststanden. Das Problem für die Praxis wird nun die Übertragung auf andere Fallkonstellationen sein. Bei einigen Lebenssachverhalten wurde eine Aufteilung bereits bisher zur Wahrung des Nettoprinzips und zur Vermeidung einer unzutreffenden Besteuerung anerkannt (z.B. für die Reinigung von Berufskleidung in der privaten Waschmaschine, die Telefongrundgebühr, die festen und variablen Kosten eines Pkw oder eines Privatflugzeugs, ferner für Versicherungsprämien, Zinsaufwendungen und Kontoführungsgebühren oder für eine auch im Betrieb eingesetzte Hausgehilfin. Außerdem ist die Aufteilung anerkannt für Aufwendungen während der Leerstandszeiten einer Ferienwohnung und ebenso für den beruflich veranlassten Anteil an den Aufwendungen für Kleidung, Friseur und Kosmetika einer selbständigen Sängerin).

Orientierung für die Zukunft
Bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit zwar die Möglichkeit einer griffweisen Schätzung des beruflichen Nutzungsanteils eher abgelehnt (Fernseh- bzw. Tonbandgerät, BFH-Beschlüsse vom NWB WAAAA-90631 und NWB EAAAA-90637), in jüngster Zeit jedoch die Aufteilung für einen privat angeschafften und in der privaten Wohnung aufgestellten PC zugelassen (BFH, Urteil v. NWB QAAAB-20775). Diese einem "Flickenteppich" vergleichbare Rechtsprechung ist durch den Besprechungsbeschluss jedenfalls nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen verschärft worden und kann deshalb Orientierungshilfe für die Frage bieten, in welchen Fällen künftig hinreichend objektivierbare Abgrenzungskriterien bejaht werden.

 

Fundstelle(n):
VAAAF-14024