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Online-Nachricht - Mittwoch, 04.11.2009

Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug bei Grundstücksvermietung an IHK (BFH)

Der BFH hat entschieden (Folgeentscheidung zum "Salix"-Urteil des EuGH), dass juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Umsätzen aus Grundstücksvermietungen Unternehmer sind. Der BFH ist zu diesem Ergebnis gelangt, weil es sich bei der steuerfreien Grundstücksvermietung nicht um eine hoheitliche Tätigkeit handelt und es im deutschen Umsatzsteuerrecht an einer ausdrücklichen gesetzlichen Gleichstellung steuerfreier Grundstücksvermietungen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt fehlt (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach § 9 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer einen Umsatz, der - wie hier die Vermietung des Gebäudes an die IHK - nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Klägerin, eine Grundstücks-Vermietungsgesellschaft, ihre Umsätze aus der Vermietung eines Verwaltungsgebäudes mit Tiefgarage an eine Industrie- und Handelskammer (IHK), die das Gebäude neben der Selbstnutzung auch teilweise (Büroflächen und Tiefgaragenplätze) an Dritte steuerpflichtig vermietet hat, wirksam als steuerpflichtig behandeln konnte, um den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Gebäudes zu erlangen. Die Klägerin schloss am mit der IHK einen „Immobilien-Leasingvertrag“ ab, in dem sie sich als Leasinggeber zur entgeltlichen Überlassung eines noch zu errichtenden Verwaltungsgebäudes mit Tiefgarage an die IHK als Leasingnehmer verpflichtete; es wurde eine 27-jährige Gesamtmietzeit mit Mietbeginn ab dem vereinbart. Die Klägerin errichtete anschließend - auf einem Grundstück, an dem die IHK ihr zuvor ein 60-jähriges Erbbaurecht bestellt hatte - das vorbezeichnete Gebäude mit Tiefgarage und überließ es entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der IHK. Diese nutzte einen Teil des Gebäudes für eigene Zwecke und vermietete den Rest der sich über vier Etagen erstreckenden Büroräume an umsatzsteuerpflichtige Dritte weiter bzw. bemühte sich um eine solche Vermietung. Die Stellplätze der Tiefgarage wurden zum Teil von der IHK selbst genutzt, zum Teil langfristig an die Mieter der Büroflächen weitervermietet und im Übrigen kurzfristig gegen Entgelt Fremdparkern zur Verfügung gestellt.

Dazu führt der BFH weiter aus: Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug zu, weil sie gemäß § 9 UStG wirksam auf die Steuerbefreiung verzichtet hat, soweit ihre an die IHK erbrachte bzw. im Streitjahr 1995 beabsichtigte Vermietungsleistung den Teil der Büroflächen und der Tiefgarage umfasst, den die IHK ihrerseits langfristig und umsatzsteuerpflichtig an andere Unternehmer weitervermietet hat bzw. im Streitjahr weiter zu vermieten beabsichtigte. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts - wie die IHK - unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt. Danach war die IHK im Streitfall unternehmerisch tätig, weil sie die Büroräume und die Stellplätze auf privatrechtlicher Grundlage Dritten überlassen hat. Diesem Ergebnis steht keine mit Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-RL vereinbare Ausnahmeregelung entgegen.

Anmerkung der NWB-Redaktion: Das Urteil ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Es handelt sich um die Folgeentscheidung zu der unlängst ergangenen „Salix“-Entscheidung des EuGH (Urteil v. 4.6.2009 - Rs. C-102/08). Danach war vorgegeben, dass entgegen dem bisherigen Verständnis unter richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Grundstücksvermietungen Unternehmer sind. Der BFH ist zu diesem Ergebnis gelangt, weil es sich nicht um eine hoheitliche Tätigkeit handelt und es im deutschen Umsatzsteuerrecht an einer ausdrücklichen - gem. Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL zulässigen - Gleichstellung steuerfreier Grundstücksvermietungen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt fehlt. Die Frage, ob die Untervermietung ihres Verwaltungsgebäudes durch die IHK Offenbach an Unternehmer auch deshalb als unternehmerisch mit der Möglichkeit des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG beurteilt werden muss, weil anderenfalls zu ihren Lasten eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung eintreten würde, hat der BFH nicht mehr erörtert. Sie ist dem „Salix“-Urteil des EuGH zufolge zu bejahen. Profitiert hat im Urteilsfall die Klägerin, eine Leasing-Objektgesellschaft, die das Verwaltungsgebäude an die IHK vermietet hat und durch Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung für ihre Mieteinnahmen den Vorsteuerabzug erreicht hat (soweit die IHK als Mieterin an Unternehmen untervermietet).



Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
PAAAF-13537