Amtshilfe | Zwischenstaatliches Beitreibungsersuchen kein Verwaltungsakt (BFH)
Wird ein Beitreibungsersuchen an eine Behörde in einem EG-Mitgliedstaat gerichtet, z.B. wenn ein Steuerpflichtiger mit Wohnsitz im Ausland im Inland Steuerschulden hat, übernimmt das BZSt die Funktion einer "Kontaktstelle oder Verbindungsstelle" mit dem Ausland. Herr des Verfahrens im Inland ist das für die Vollstreckung zuständige FA (; veröffentlicht am ).
Das Ersuchen ist kein Verwaltungsakt, aber auch kein rein behördeninterner Vorgang. Rechtsschutz auf Rücknahme des Ersuchens kann mit der Leistungsklage gesucht werden.
Hintergrund: Um die Voraussetzungen für die Beitreibung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu schaffen, sind schon mit der Richtlinie 76/308/EWG des Rates vom 15.3.1976 (jetzt Richtlinie 2008/55/EG) über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern etc. gemeinschaftliche Regeln zur gegenseitigen Unterstützung bei der Beitreibung erlassen worden. Diese Richtlinie und die zu ihrer Durchführung erlassene Richtlinie 2002/94/EG legen die Anforderungen fest, welche die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten enthalten müssen, damit in jedem Mitgliedstaat die Beitreibung der im Einzelnen bezeichneten Forderungen, die in einem anderen Mitgliedstaat entstanden sind, gewährleistet ist. Deutschland hat die Richtlinien mit dem EG-Beitreibungsgesetz (EG-BeitrG) umgesetzt, allerdings nur für eingehende Ersuchen, d.h. für die Beitreibung von Geldforderungen, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft entstanden sind. Für sog. ausgehende Ersuchen hat das BMF die Verwaltung in einem Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung an die Vorgaben dieser Richtlinien gebunden und einen amtlichen Vordruck für ein Beitreibungsersuchen herausgegeben.
Sachverhalt: Das FA hatte über das BZSt ein Beitreibungsersuchen nach Zypern gerichtet und dieses dort dem Kläger bekannt gegeben. Es betraf rückständige Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen (Zinsen und Säumniszuschläge), enthielt auf amtlichem Vordruck eine Aufstellung der Forderungen und den Hinweis, dass diese unanfechtbar festgesetzt seien. Mit seiner Klage wollte der Kläger die Rücknahme des Ersuchens durch das FA erreichen. Das FG wies die Klage ab. Es hielt zwar das Ersuchen anders als das FA nicht für eine rein behördeninterne und damit nicht anfechtbare Maßnahme, das FA aber nicht für die zur Rücknahme zuständige Behörde. Die Klage hätte nach Auffassung des FG gegen das BZSt gerichtet werden müssen.
Dazu führt das Gericht weiter aus: Der Senat merkt an, dass das NWB KAAAB-16254 das Ermessen der Verwaltung mit Außenwirkung bindet, weil es die Voraussetzungen, unter denen ein Beitreibungsersuchen gestellt werden darf, konkretisiert. Ferner stellt er dar, dass die Richtlinie 2001/44/EG des Rates vom (ABlEG Nr. L 175/17) auf alle Forderungen im Zusammenhang mit Einkommensteuern, Mehrwertsteuern und Kapitalsteuern Anwendung findet. Dazu gehören nach deutschem Recht auch die Säumniszuschläge i.S. des § 240 AO. Die Auflistung der entsprechenden Beträge in der Rubrik Zinsen steht dem nicht entgegen. Ist das Ersuchen, wie im Streitfall, bereits erfolgt, muss dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit verbleiben, gerichtlich nachprüfen zu lassen, ob die Behörde die Voraussetzungen für die Übermittlung des Ersuchens eingehalten hat und, sollte dies nicht der Fall sein, die Behörde zu zwingen, das Beitreibungsersuchen zurückzunehmen, um damit die Vollstreckung im Ausland zu stoppen. An der gerichtlichen Überprüfung dieser Rechtslage hat der Kläger somit ein geschütztes Interesse, das er mit der Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO verfolgen kann.
Quelle: BFH online
Anmerkung der NWB-Redaktion: Die Entscheidung geht überzeugend davon aus, dass das Rechtshilfeersuchen kein Verwaltungsakt ist; es unterscheidet sich von Anträgen an das Vollstreckungsgericht oder Grundbuchamt gemäß § 322 AO dadurch, dass es nichts verbindlich feststellt. Schwerer tut man sich damit, dass die Entscheidung für die Frage, wer eigentlich richtiger Streitgegner für das Ersuchen ist, maßgeblich auf eine Verwaltungsvorschrift abstellt, die zudem wie eine Ermessensrichtlinie behandelt wird, obwohl sie die verbandsinterne Zuständigkeit festlegt ("konkretisiert"). Damit eröffnet sich der BFH freilich nur die Möglichkeit einer Revisionsentscheidung über die Zuständigkeit, die man in der Tat im Interesse der Rechtsklarheit begrüßen wird. Das Bundeszentralamt für Steuern soll nach der Entscheidung des BFH nur die Funktion einer Art Poststelle der Finanzämter bei der Übermittlung ins Ausland gehender Ersuchen haben. Man fragt sich, warum es dann überhaupt in das Verfahren einbezogen wird. Die eben erwähnte Verwaltungsvorschrift hätte die Deutung zumindest zugelassen, dass es genau umgekehrt ist: das Bundeszentralamt ist Herr des Verfahrens, das örtliche Finanzamt bloßer Zulieferer (auch wenn es sich im Streitfall als ersuchende Behörde geriert hatte). Das hätte wohl auch eher der Bewertung entsprochen, die den in der Entscheidung angeführten Urteilen des I. Senats des BFH zu Grunde liegt.
Fundstelle(n):
PAAAF-13375