Online-Nachricht - Mittwoch, 16.09.2009

Werbungskosten | Kosten für ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung (BFH)

Ist einem Studium bereits eine berufliche Ausbildung vorangegangen, so sind die durch das Studium veranlassten Kosten Werbungskosten (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach der Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen Werbungskosten, wenn ein Veranlassungszusammenhang mit einer, ggf. auch späteren beruflichen Tätigkeit besteht. Die ab 2004 geltende Regelung des § 12 Nr. 5 EStG bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium im Rahmen der Einkünfteermittlung nicht abziehbar sind, wenn die Aufwendungen nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden; sie können allerdings jährlich bis zu 4.000 € als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung ist umstritten.

Sachverhalt: In dem vorliegenden Fall hatte die Klägerin nach abgeschlossener Berufsausbildung ein Studium aufgenommen. Die Aufwendungen für dieses Studium wollte das Finanzamt lediglich als Sonderausgaben bis zu einem Betrag von maximal 4.000 € im Jahr anerkennen (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG ab (NWB ZAAAC-46226). Dieser Auffassung folgte der BFH nicht.

Hierzu führte der BFH weiter aus: Die Aufwendungen der Klägerin für das Studium sind als (vorweggenommene) Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG steht dem ebenso wenig entgegen wie das Abzugsverbot in § 12 Nr. 5 EStG.


Nach dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 i.V. mit § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine eigene Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Danach hat der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Sonderausgaben, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für erwerbsbedingte Aufwendungen entfalten kann.

Die Bestimmung des § 12 Nr. 5 EStG hindert die Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein sog. Erststudium zumindest dann nicht, wenn diesem - wie im Streitfall - eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist. § 12 Nr. 5 EStG bestimmt in typisierender Weise, dass bei einer erstmaligen Berufsausbildung ein hinreichend veranlasster Zusammenhang mit einer bestimmten Erwerbstätigkeit fehlt. Die Typisierung erstreckt sich jedoch nicht auf Steuerpflichtige, die ein Studium im späteren Berufsleben berufsbegleitend oder in sonstiger Weise als Zweitausbildung aufnehmen. Zwar erfasst § 12 Nr. 5 EStG im ersten Halbsatz dem Wortlaut nach unterschiedslos alle Steuerpflichtigen, die ein Erststudium absolvieren, unabhängig davon, ob sie zuvor bereits eine nichtakademische Berufsausbildung durchlaufen haben oder nicht. Dies würde jedoch in gleichheitswidriger Weise Steuerpflichtige, die nach abgeschlossener Berufsausbildung erstmalig ein Studium aufnehmen, gegenüber den Steuerpflichtigen benachteiligen, die eine zweite nichtakademische Ausbildung, ein Zweitstudium oder ein Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolvieren. Bei der hiernach gebotenen verfassungskonformen Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 7 und 12 Nr. 5 EStG erfasst das Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG allenfalls die Fälle des Erststudiums, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

Quelle: BFH online

Anmerkung: Im Streitfall bestand für den BFH keine Veranlassung, auf die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Nr. 5 EStG geäußerten Bedenken weiter einzugehen. Für die Fälle eines klassischen Erststudiums – also die Aufnahme eines Studiums im Anschluss an das Abitur – ist die Frage der steuerlichen Behandlung daher noch nicht abschließend geklärt. Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) weist darauf hin, dass er hierzu ein weiteres Klageverfahren vor dem FG Niedersachen (Az. 1 K 405/05) unterstützt. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob auch Kosten eines Studiums ohne vorhergehende Berufsausbildung Werbungskosten sind.

 

Fundstelle(n):
NWB IAAAF-13146