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Online-Nachricht - Mittwoch, 05.08.2009

Abgabenordnung | Telefonischer Widerruf eines Steuerbescheids (BFH)

Teilt der Sachbearbeiter nach Aufgabe des Steuerbescheids zur Post, aber vor dessen Zugang, den Empfangsbevollmächtigten telefonisch mit, der Bescheid sei falsch und solle deshalb nicht bekanntgegeben werden, wird der Bescheid trotz des späteren Zugangs nicht wirksam (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom gegen die Kläger Aussetzungszinsen fest. Der Bescheid war an die Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigte der Kläger adressiert. Die Poststelle des Finanzamts gab den Bescheid am Vormittag des zur Post. Danach fiel dem Sachbearbeiter auf, dass er versehentlich von einem falschen Zinsbeginn ausgegangen war. Laut Aktenvermerk vom rief er deshalb in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger an und teilte einem Mitarbeiter der Kanzlei mit, der am Vormittag versandte Zinsbescheid sei falsch und solle deshalb nicht bekanntgegeben werden; es komme ein neuer Bescheid. Der Mitarbeiter bestätigte im finanzgerichtlichen Verfahren, dass ihn der Sachbearbeiter des Finanzamts am späten Vormittag angerufen habe. Der Zinsbescheid vom ging am bei der Kanzlei ein. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt dann höhere Zinsen für fest.  Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dieser Bescheid habe nicht erlassen werden dürfen, da der Bescheid vom wirksam geworden sei; die Voraussetzungen der §§ 172 AO für eine Änderung dieses Bescheids lägen nicht vor. Der Einspruch blieb erfolglos.

Hierzu führte das Gericht weiter aus: Ein Bescheid wird nicht wirksam, wenn die Behörde dem Empfänger vor oder mit dem Zugang des Bescheids mitteilt, der Bescheid solle nicht gelten. Für die Entscheidung, wann Willenserklärungen im öffentlichen Recht wirksam werden, sind die zivilrechtlichen Grundsätze des § 130 BGB ergänzend heranzuziehen. Die Regelung, dass ein Verwaltungsakt mit der Bekanntgabe wirksam wird (§ 124 Abs. 1 AO), setzt voraus, dass der Verwaltungsakt eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist. Daher wird ein Verwaltungsakt entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann mit dem Zugang beim Empfänger wirksam, wenn ihm nicht vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Ein Verwaltungsakt kann bis zu seiner Bekanntgabe frei widerrufen oder aufgehoben werden, ohne dass die Voraussetzungen in §§ 130, 131 AO für die Rücknahme oder den Widerruf eines (wirksamen) Verwaltungsaktes bzw. die Voraussetzungen in §§ 172 ff. AO für die Aufhebung oder Änderung von (wirksamen) Steuerbescheiden vorliegen müssen. Aus § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nicht, dass eine schriftliche Willenserklärung nur schriftlich widerrufen werden kann; eine mündliche Mitteilung reicht aus.

Anmerkung der NWB-Redaktion: Die Schriftlichkeit des Besteuerungsverfahrens verstellt mitunter den Blick dafür, dass bisweilen auch eine mündliche Mitteilung des Finanzamts dessen Rechtsverhältnis zum Steuerpflichtigen gestalten kann. So ist es beim rechtzeitigen - das heißt vor Zugang erklärten- Widerruf einer Willenserklärung. Eine Regelung über einen solchen Widerruf enthält die AO nicht; der BFH hat deshalb das BGB entsprechend angewandt, dass auch sonst für die Füllung von Regelungslücke in den öffentlichen Rechts herangezogen wird. Daraus folgt: Da ein Verwaltungsakt eine öffentlichrechtliche Willenserklärung ist, kann er bis zum Zugang bei seinem Adressaten mit der Folge widerrufen werden, dass er nicht wirksam wird. Dieses allerdings in aller Regel sehr schmale Zeitfenster für eine Korrektur fehlerhafter Verwaltungsakte zu nutzen, kann für das Finanzamt entscheidend wichtig sein, weil Steuerbescheide nur unter strengen Voraussetzungen geändert werden dürfen, wie der Streitfall demonstriert.

Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
CAAAF-12899