Online-Nachricht - Mittwoch, 03.12.2014

Grundsteuer | Einheitsbewertung des Grundvermögens zum verfassungswidrig? (BFH)

Der II. Senat des BFH hat dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit dem Feststellungszeitpunkt wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig sind (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Einheitswerte werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für Betriebsgrundstücke und für andere Grundstücke festgestellt. Sie sind neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind in den alten Bundesländern und West-Berlin die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt . Für Stichtage bis zum hatte der BFH dieses Verfahren als (noch) verfassungsgemäß erachtet, gleichzeitig aber auf die drohende Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Rechtslage hingewiesen (s. BFH, Urteilen v. - NWB ZAAAD-48566). Gegen dieses Urteil ist beim BVerfG bereits eine Verfassungsbeschwerde anhängig (BVerfG-Az. NWB EAAAD-75786). In dem neuen Vorlageverfahren geht es nun um die Frage, ob die Einheitsbewertung des Grundvermögens auch für den Stichtag (Feststellungszeitpunkt) noch verfassungsgemäß ist.
Sachverhalt: In dem Verfahren, das dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt, hatte der Kläger im Jahr 2008 eine Teileigentumseinheit (Ladenlokal) im ehemaligen Westteil von Berlin erworben. Er ist der Ansicht, dass der gegenüber dem Voreigentümer festgestellte Einheitswert für das Teileigentum ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten könne, weil die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts verfassungswidrig seien. Die Einheitswertfeststellung müsse daher zum ersatzlos aufgehoben werden.
Der BFH stützt seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte:

  • Der BFH ist der Ansicht, dass die Maßgeblichkeit dieser veralteten Wertverhältnisse (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar ist.

  • Durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen sei es nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten gekommen.

  • Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung gerade im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen am Immobilienmarkt fänden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.

  • Der BFH vertritt indes nicht die Auffassung, dass das Niveau der Grundsteuer insgesamt zu niedrig sei und angehoben werden müsse. Vielmehr geht es lediglich darum, dass die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zueinander realitätsgerecht bewertet werden müssen. Nur eine solche Bewertung kann gewährleisten, dass die Belastung mit Grundsteuer sachgerecht ausgestaltet wird und mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.

Anmerkung: Der BFH geht davon aus, dass im Falle der Entscheidung des BVerfG, die einschlägigen Bewertungsregeln seien verfassungswidrig und nichtig, der festgestellte Einheitswert nicht der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags und der Grundsteuer zugrunde gelegt werden kann. Deshalb sei der Einheitswertbescheid aufzuheben, sofern das BVerfG dem Gesetzgeber nicht die Möglichkeit gibt, rückwirkend auf den eine Neubewertung des Grundbesitzes vorzuschreiben. Es liegt durchaus nahe, dass das BVerfG dem Gesetzgeber einmal mehr eine Nachbesserung ermöglicht. Möglicherweise bewirkt die Vorlage auch, dass der Gesetzgeber bereits vor der Entscheidung des BVerfG tätig wird.
Quellen: NWB Datenbank und BFH, Pressemitteilung Nr. 79/2014
Hinweis: Der Vorlagebeschluss steht als solcher dem Erlass von Einheitswertbescheiden, Grundsteuermessbescheiden und Grundsteuerbescheiden sowie der Beitreibung von Grundsteuer nicht entgegen. Die betroffenen Grundstückeigentümer sollten ungeachtet dessen die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur vorsorglichen Offenhaltung der Einheitsbewertungen nutzen bzw. Anträge auf fehlerberichtigende Wertfortschreibungen in Erwägung ziehen.
 

Fundstelle(n):
NWB AAAAF-12317