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Online-Nachricht - Mittwoch, 03.12.2014

Verfahrensrecht | Nachträglicher Antrag auf Realsplittung kein rückwirkendes Ereignis (BFH)

Ein erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings ist kein rückwirkendes Ereignis, wenn die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers dem Geber bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlag (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Nach der bisherigen Auffassung des X. Senats des BFH ist ein Steuerbescheid nach dieser Vorschrift zu ändern, wenn erst nach Eintritt der Bestandskraft sowohl die Zustimmung zur Anwendung des Realsplitting erteilt als auch der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird ( NWB SAAAA-93006). Die dieser Entscheidung zugrundeliegende Rechtslage hat sich zwischenzeitlich jedoch geändert. Seit 1990 hat die Zustimmung grds. Dauerwirkung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG); ein Widerruf hat nur Wirkung für Kalenderjahre, die erst nach dem Widerruf beginnen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG).
Sachverhalt: Der Kläger und seine Ehefrau leben dauernd getrennt. Der Kläger leistet Barunterhalt und machte die Zahlungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Zahlungen in den Vorjahren als Sonderausgaben. Die Ehefrau hatte dem Realsplittung zugestimmt. Die Zustimmungserklärung war durch die Ehefrau im Streitjahr nicht widerrufen worden. Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 elektronisch (ELSTER-Verfahren) ein. Dabei wurden keine Unterhaltszahlungen geltend gemacht. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer ohne Ansatz der Unterhaltszahlungen fest. Nach dem der Steuerbescheid bestandskräftig wurde, machte der Kläger die Unterhaltszahlungen geltend und begehrte die Änderung der Festsetzung u.a. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Der erkennende Senat hat in Bezug auf das Realsplitting eine Änderungsmöglichkeit für den Fall bejaht, dass erst nach Eintritt der Bestandskraft des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids sowohl die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen erteilt als auch der Antrag des Gebers gestellt wurde.

  • Diese Rechtsprechung beruhte auf der Erwägung, die erforderliche Zustimmung des Empfängers werde in typischen Fällen erst nachträglich erteilt. Grundlage hierfür war die im damaligen Streitjahr geltende Rechtslage, wonach die Zustimmung keine Dauerwirkung hatte, sondern für jeden Veranlagungszeitraum (VZ) erneut erteilt werden musste.

  • Nach der gesetzlichen Neureglung im Jahr 1990 ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Zustimmung typischerweise erst nach Ablauf des VZ erteilt wird. Vielmehr ist die dauerhaft wirkende Zustimmung die Regel.

  • In einem solchen Fall besteht jedenfalls dann kein Bedürfnis für eine bestandskraftdurchbrechende Rückwirkung - allein - des Antrags, wenn die Zustimmungserklärung dem Geber im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids tatsächlich bereits vorliegt.

Anmerkung: Nach Ansicht des BFH lässt sich auch dem - zu der seit 1990 geltenden Rechtslage - ergangene NWB UAAAC-03820nichts Gegenteiliges entnehmen. Im dortigen Streitfall lag dem Geber zwar bereits eine Zustimmungserklärung über einen niedrigeren Betrag vor. Erst nach Bestandskraft der Veranlagung konnte er aber eine Zustimmungserklärung über den Abzug von Unterhaltsleistungen im Umfang des gesetzlichen Höchstbetrags erlangen und einen entsprechend erweiterten Antrag stellen. Damit befinde sich ein solcher Geber in derselben Situation wie ein Steuerpflichtiger, der noch gar keine Zustimmungserklärung des Empfängers erlangt habe. Mit Sachverhalten, in denen im Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft eine - auch der Höhe nach hinreichende - Zustimmungserklärung bereits vorliege, sei dies nicht vergleichbar.
Quelle: NWB Datenbank
 

Fundstelle(n):
DAAAF-12303