Sozialrecht | Keine Haftung junger Volljähriger nach pflichtwidrigem Verhalten ihrer Eltern (BSG)
Ein junger Volljähriger muss SGB II-Leistungen, die er als Minderjähriger zu Unrecht erhalten hat, nur bis zur Höhe des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens erstatten, wenn die Voraussetzungen des § 1629a BGB für eine beschränkte Haftung von Minderjährigen vorliegen ().
Hintergrund: Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes (§ 1629a BGB).
Sachverhalt: In dem entschiedenen Fall lebte der zunächst noch minderjährige Kläger in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Stiefvater, seiner Mutter und seiner Halbschwester. Alle bezogen laufende Leistungen nach dem SGB II, die jeweils der Stiefvater des Klägers beantragt hatte. Da der Stiefvater angegeben hatte, dass der Kläger Schüler sei, berücksichtigte das Jobcenter nur das Kindergeld als Einkommen. Das Jobcenter erfuhr erst im Nachhinein durch einen Datenabgleich, dass er die Schule beendet hatte, und inzwischen als Teilnehmer an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme des Arbeitsamts eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhielt. Daraufhin berechnete es die Leistungen für die Vergangenheit neu und forderte den inzwischen volljährigen Kläger auf, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen (rund 500 Euro) zu erstatten.
Hierzu führte das Gericht weiter aus:
Das Bundessozialgericht wendet die Regelung des § 1629a BGB entsprechend für Ansprüche auf Erstattung von SGB II-Leistungen an, die an einen Minderjährigen erbracht wurden. Entscheidend ist, dass die Forderung während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen betrifft und durch eine pflichtwidrige Handlung des gesetzlichen Vertreters begründet wurde. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Mutter des Klägers hat es trotz entsprechender Information durch den Kläger versäumt, das Jobcenter über die Zahlung der Berufsausbildungsbeihilfe zu informieren. Hierzu wäre sie als seine gesetzliche Vertreterin jedoch verpflichtet gewesen. Hätte sie das Jobcenter informiert, hätte dieses die Leistungen umgehend anpassen können, so dass es nicht zu einer Überzahlung gekommen wäre.
Unerheblich ist es, dass das Jobcenter den Erstattungsbescheid erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Klägers erließ. Andernfalls könnte es allein durch Abwarten erreichen, dass ein junger Volljähriger die von ihm während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen entgegen § 1629a BGB erstatten müsste.
Anmerkung: Die entsprechende Anwendung des § 1629a BGB begünstigt nach Ansicht des BSG auch keine unberechtigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen, weil das Jobcenter den handelnden Vertreter zumindest seit dem über § 34a SGB II n.F. auf Erstattung in Anspruch nehmen kann.
Quelle: BSG, Medieninformation Nr. 35/14
Fundstelle(n):
JAAAF-12246