Insolvenzrecht | Bargeschäftsprivileg für Lohnzahlungen (BGH)
Lohnzahlungen eines insolventen Arbeitgebers, die binnen dreißig Tagen nach Fälligkeit geleistet werden, unterfallen dem Bargeschäftsprivileg und sind daher grundsätzlich nicht anfechtbar ().
Hintergrund: Eine Leistung des Schuldners ist der Insolvenzanfechtung entzogen, wenn für diese unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt (Bargeschäftsprivileg, § 142 InsO). Eine Ausnahme besteht, wenn der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte (§ 133 Abs. 1 InsO). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist die Überlegung, dass ein Schuldner in der Krise praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen wäre, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen. Die übrigen Gläubiger werden durch das Privileg nicht benachteiligt, weil dem Vermögen des Insolvenzschuldners zeitnah ein entsprechender Gegenwert zufließt oder zugeflossen ist.
Sachverhalt: Der klagende Insolvenzverwalter verlangt vom beklagten ehemaligen kaufmännischen Leiter der insolventen GmbH (Schuldnerin) die Rückzahlung von Arbeitsentgelt in Höhe von 2.000 € im Wege der Insolvenzanfechtung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO). Der Beklagte hatte nach seinem Dienstvertrag einen spätestens am zehnten Tag des jeweiligen Folgemonats fälligen Gehaltsanspruch von 5.500 €. Nachdem das Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2010 nicht vollständig entrichtet worden war, überwies die Schuldnerin am den zurückgeforderten Betrag. Am wurde auf Eigenantrag der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Die Gehaltszahlung unterliegt wegen des Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO) nicht der Anfechtung.
Die für eine Bardeckung notwendigen Voraussetzungen (unmittelbare Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung sowie Gleichwertigkeit beider) sind gegeben.
Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers das Bargeschäftsprivileg genießen, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet.
Nach Ansicht des Senats ist bei einer Lohnzahlung der für ein Bargeschäft weiterhin erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang dann noch gegeben, wenn wie hier bei einer monatlichen Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers die Entgeltzahlung innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit vorgenommen wird.
Anmerkung: Mit dieser Entscheidung setzt sich der BGH in deutlichen Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG, nach der ein Bargeschäft bereits dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat (). Nach Ansicht des BGH widerspricht die BAG-Rechtsprechung dem Gesetzeszweck und ist mit der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz unvereinbar. Auf die Antwort des BAG darf man gespannt sein.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Fundstelle(n):
QAAAF-11960