Einkommensteuer | Zum rückwirkenden Ausscheiden eines Mitunternehmers (FG)
Wird ein Streit über den Austritt eines Gesellschafters aus einer Mitunternehmerschaft nachträglich durch einen Vergleich beigelegt, sind die Wirkungen des Ausscheidens auf den darin vereinbarten Ausscheidenszeitpunkt zurück zu beziehen ().
Hintergrund: Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG).
Sachverhalt: Streitig war, ob dem Kläger eine Zahlung wegen seines Ausscheidens aus einer Personengesellschaft im Streitjahr 2008 oder erst im Folgejahr zuzurechnen ist. Der Kläger war Gesellschafter einer GbR mit einem Anteil am Gesellschaftsvermögen von 30%. Neben ihm waren zwei weiter Gesellschafter an der GbR beteiligt. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern erklärten die beiden letztgenannten Gesellschafter dem Kläger gegenüber seinen Ausschluss aus der GbR. Zudem hielten diese beiden Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ab – ohne Beteiligung des Klägers – und vereinbarten einen Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag. Dieser Nachtrag sah vor, dass der Kläger zum aus der GbR ausgeschieden war und sein Gesellschaftsanteil disquotal auf die verbliebenen Gesellschafter verteilt würde. Daraufhin erhob der Kläger Klage gegen die beiden Gesellschafter, in deren Verlauf (in 2. Instanz) die Parteien im Folgejahr (2009) einen Vergleich schlossen. Hierin wurde festgestellt, dass der Kläger zum aus der GbR ausgeschieden ist. Im Gegenzug zahlten die Beklagten an den Kläger ein Abfindungsguthaben i.H. von 30.000 EUR.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
Das Finanzamt hat den Veräußerungsgewinn im richtigen Jahr, nämlich im Streitjahr 2008 erfasst.
Zwar ist eine zivilrechtlich mögliche rückwirkende Regelung von Vertragsangelegenheiten steuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch in bestimmten Fällen bei streitigen oder ungewissen Rechtsverhältnissen.
Wird nämlich ein Streit über den Eintritt oder das Ausscheiden eines Mitgesellschafters nachträglich durch einen Vergleich oder ein Urteil klargestellt, sind die Wirkungen dieses Rechtsakts bereits für die Vergangenheit zu beachten. Der BFH betrachtet dies als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ( NWB BAAAE-42087, unter II.3.c der Gründe).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist der Kläger nicht nur zivilrechtlich, sondern auch mit steuerlicher Wirkung zum aus der GbR ausgeschieden, so dass der Veräußerungsgewinn im Streitjahr zu erfassen war.
Anmerkung: Da der Kläger nach dem Inhalt dieses Vergleichs bereits zum aus der GbR ausgeschieden war, sind die Wirkungen des Vergleichs entsprechend der zitierten Rechtsprechung des BFH für die Vergangenheit zu beachten. Auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen „Wirksamkeit” und des „Vollzugs” des Vergleichs, kommt es demgegenüber nicht an. Dem stand im Streitfall auch nicht entgegen, dass der Kläger zivilgerichtlich in erster Instanz noch obsiegt und das Landgericht festgestellt hatte, dass sein Ausschluss aus der GbR nichtig war. Denn dieses Urteil ist aufgrund des anschließenden Berufungsverfahrens nicht in Rechtskraft erwachsen. Vielmehr ist eine endgültige und rechtsverbindliche Regelung erst durch den Vergleich vor dem Berufungsgericht am entstanden, der wie beschrieben auch steuerlich ein rückwirkendes Ereignis darstellt.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
DAAAF-11814