Haftungsrecht | BGH hält an Anscheinsbeweis fest (BGH)
Bei der Rechts- und
Steuerberaterhaftung bestimmen sich die Beweiserleichterungen für die
Kausalität einer Pflichtverletzung für den Eintritt eines Schadens nach den
Grundsätzen des Anscheinsbeweises; eine Beweislastumkehr findet nicht statt
().
Hintergrund: Erleidet jemand einen Schaden und beansprucht dafür Schadensersatz, so muss er grundsätzlich den Ursachenzusammenhang zwischen der Handlung (hier: einer Falschberatung) und seinem Schaden beweisen. Typischerweise kann ein Mandant jedoch nicht beweisen, wie er sich bei richtiger Beratung verhalten hätte, so dass er regelmäßig seinen Schadensersatz nicht durchsetzen könnte. Um in dieser Beweisnot zu helfen, hat der BGH im Anwalts- und Steuerberatervertragsrecht eine Vermutung zugunsten des Mandanten entwickelt, dieser hätte sich bei vertragsgerechtem Handeln des Beauftragten beratungsgemäß verhalten (grundlegend hierzu: ). Diese Beweiserleichterung gilt jedoch nicht generell, sondern setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, also auf Umständen beruht, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Diese auf der Typizität eines bestimmten Geschehensablaufs gegründete Beweisregel rechtfertigt keine volle Beweislastumkehr, sondern es handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises. Denn die Beweiserleichterung beruht hier auf Erfahrungssätzen, die im Einzelfall erschüttert werden können, wenn die konkrete Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufs dargetan und bewiesen wird.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Unter welchen Voraussetzungen in Fällen der Rechtsberaterhaftung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zugunsten des Mandanten Beweiserleichterungen in Betracht kommen, lässt sich der ständigen Rechtsprechung des BGH entnehmen - es handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises.
Vorausgesetzt wird dabei ein Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung aufgrund objektiv deutlich für eine bestimmte Reaktion sprechender Umstände einer typisierenden Betrachtungsweise zugänglich ist.
Dies ist anzunehmen, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahe gelegen hätte.
Die Rechtsprechung zur Anlageberaterhaftung, bei der zu Lasten des Anlageberaters eine zur Beweislastumkehr führende widerlegbare Vermutung besteht (siehe dazu NWB FAAAE-12904), dass der Schaden bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht eingetreten wäre, kommt im Bereich der Rechtsberaterhaftung nicht zur Anwendung.
Denn hier führen nur die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen rechtlichem Berater und Mandanten.
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Fundstelle(n):
QAAAF-11665