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Online-Nachricht - Mittwoch, 25.06.2014

Körperschaftsteuer | Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (BFH)

Der BFH hat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage eingeholt, ob die Qualifikation vororganschaftlich verursachter Mehrabführungen als Gewinnausschüttung durch § 14 Abs. 3 KStG 2002 i.d.F. des EURLUmsG gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Mit dem Richtlinien-Umsetzungsgesetz hat der Gesetzgeber erstmals gesetzliche Grundlagen für die Berücksichtigung sog. vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen geschaffen. Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, gelten danach als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger; Minderabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, sind als Einlagen durch den Organträger an die Organgesellschaft zu behandeln (§ 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG 2002). Die Neuregelung ist erstmals für Mehrabführungen von Organgesellschaften anzuwenden, deren Wirtschaftsjahr nach dem endet (§ 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG 2002). Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte mit der Neuregelung die bisherige Verwaltungsauffassung in Abschn. 59 Abs. 4 KStR 1995 gesetzlich festgeschrieben werden.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger stellen keine Gewinnausschüttungen i.S. von § 8 Abs. 3, § 27 KStG 1996/2002 a.F., sondern Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff. KStG 1996/2002 a.F. dar (Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung).

  • Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen i.S. von § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des EURLUmsG sind als rein rechnerische Differenzbeträge zu begreifen. Eine Mehrabführung ist dabei zum Einen nicht der Höhe nach auf den Betrag des handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt, den die Organgesellschaft (tatsächlich) an den Organträger abgeführt hat. Zum Anderen kann eine tatbestandlich verwirklichte Mehrabführung auch nicht durch Saldierung mit weiteren vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen dem Betrag nach begrenzt werden (sog. geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise).

  • Indem die so verstandenen Mehrabführungen durch § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des EURLUmsG als Gewinnausschüttungen fingiert werden, handelt es sich zugleich um entsprechende Leistungen i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002, für welche die in § 38 Abs. 2 KStG 2002 angeordnete Körperschaftsteuererhöhung zu errechnen ist.

  • Infolge der vom Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs. 9 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 war das Revisionsverfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: Im Streitfall war die Organgesellschaft früher ein steuerbefreites gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, das bei Eintritt in die Steuerpflicht den Immobilienbestand in der Steuerbilanz auf den deutlich höheren Teilwert aufstockte. Durch AfA und höhere Buchwertabgänge in der Steuerbilanz entstanden in den Streitjahren 2004 bis 2006 vororganschaftliche Mehrabführungen. Diese gelten nach den Vorschriften des EURLUmsG als Gewinnausschüttungen, die damit als Leistungen i.S. des § 38 Abs. 2 KStG zu der vorgesehenen Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 führen. Diese (fiktiven) Gewinnausschüttungen dürfen mit anderweitigen Minderabführungen (im Streitfall steuerlich nicht anzuerkennende Instandsetzungsrückstellungen) nicht saldiert werden, wie der BFH klargestellt hat. Für die Zeit vor der Gesetzesänderung durch das EURLUmsG handelte es sich jedoch – insoweit hat der BFH seine von der Finanzverwaltung nicht angewandte Rechtsprechung bestätigt – nicht um Gewinnausschüttungen. Weil die steuerverschärfende Gesetzesänderung nach § 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG bereits für Wirtschaftsjahre anwendbar ist, die nach dem endeten, erblickt der BFH in der Anwendungsregelung eine unechte Gesetzesrückwirkung, die den Grundsatz des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes verletzt. Der Klägerin war es nämlich nicht möglich bzw. zumutbar, den Auswirkungen durch rechtzeitige vorzeitige Kündigung des Ergebnisabführungsvertrags auszuweichen.
 

Fundstelle(n):
PAAAF-11554