Angehörigen-Darlehen | Revisionsgerichtliche Überprüfung der Tatsachenfeststellung des FG (BFH)
Der BFH hat zur steuerlichen Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen Stellung genommen und dabei klargestellt, dass die Gesamtwürdigung mehrerer Beweisanzeichen insgesamt fehlerhaft ist, wenn das FG aus einem Indiz, das es in seine Gesamtbetrachtung einbezieht, den falschen Schluss zieht (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Sache befindet sich bereits im zweiten Rechtsgang. Die Klägerin errichtete drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung der Herstellungskosten schloss sie mit ihren drei minderjährigen Enkelkindern jeweils Darlehensverträge ab. Unterzeichnet wurden die Verträge durch den Vater; ein Ergänzungspfleger wurde nicht eingeschaltet. Erst mehrere Jahre später genehmigte ein Ergänzungspfleger die Darlehensverträge; danach wurden auch Grundschulden zur Sicherung der Darlehen bestellt.
Das FG führte in seinem Urteil aus, die Darlehensverträge seien als Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen steuerlich nicht zu berücksichtigen, da sie nicht formwirksam abgeschlossen worden seien. Dieses Urteil hob der BFH auf und wies die Sache an das FG zurück (NWB ZAAAC-16502). Auch im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab. Es sei den Vertragsparteien anzulasten, die zivilrechtliche Form nicht beachtet zu haben. Dieses verstärkte Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen werde durch die Genehmigung nicht in Frage gestellt. Gegen die steuerliche Anerkennung spreche auch die fehlende Besicherung.
Hierzu führte der BFH aus: Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache erneut zurückzuverweisen. Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, die Darlehensverträge seien auf Grund ihrer Formunwirksamkeit im Streitjahr sowie ihrer fehlenden Besicherung steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Zwar würdigt es das FG zutreffend als Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen, dass die zu Grunde liegenden Darlehensverträge zunächst - nämlich im Streitjahr - schwebend unwirksam waren (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dabei hat das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH darauf abgestellt, der Klägerin sei das Nichtbeachten der Formvorschriften anzulasten gewesen. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Indes ergibt sich der Rechtsfehler und Aufhebungsgrund aus dem zusätzlich in die Würdigung einbezogenen Indiz der fehlenden Sicherung der Darlehensverträge. Denn dieses Beweisanzeichen ist im Streitfall nicht ergiebig, erlaubt also nicht den Schluss auf einen fehlenden Bindungswillen der Vertragsparteien. Zwar geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, der Rückzahlungsanspruch aus einem langfristigen Darlehen zwischen nahen Angehörigen müsse ausreichend besichert sein. Dieses aus dem Fremdvergleich abgeleitete generelle Erfordernis wird jedoch durch einen konkreten Fremdvergleich im jeweiligen Einzelfall überlagert. In diesem Zusammenhang hätte das FG nach der Aktenlage berücksichtigen müssen, dass drei verschiedene Kreditinstitute der Klägerin ungesicherte Darlehen bestätigt haben. Vor diesem konkreten Hintergrund verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht, so dass die fehlende Besicherung nicht ohne weiteres auf eine steuerrechtlich unerhebliche Veranlassung des hingegebenen Geldes hindeutet.
Anmerkung der NWB-Redaktion: Zwar obliegt die Tatsachenfeststellung dem FG und ist für den BFH grundsätzlich bindend (§ 118 Abs. 1 FGO). Sie ist deshalb aber nicht etwa jeder Überprüfung entzogen. Diese Überprüfung muss anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe erfolgen. Zu diesen gehört neben der Überprüfung der Widerspruchsfreiheit, der Vereinbarkeit mit allgemeinen Erfahrungssätzen und der Nachvollziehbarkeit auch, dass das FG die vorliegenden Beweismittel vollständig würdigt und einzelnen Beweisanzeichen dabei keine Bedeutung und kein Gewicht beimisst, welche ihnen nach der Lebenserfahrung offensichtlich nicht zukommen können. Dabei die Freiheit des Tatrichters bei der Beweiswürdigung zu achten, ist mitunter eine Gratwanderung. Diese o.g. Entscheidung zeigt, dass vom Tatrichter gerade wegen seiner Freiheit in der Beweiswürdigung subtile Erwägungen verlangt werden müssen (hier: Überlagerung des an allgemeinen Gepflogenheiten orientierte Fremdvergleichs durch den Fremdvergleich nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls). Unterlässt er Tatrichter eine solche vollständige Berücksichtigung der maßgeblichen Beweiswürdigungsgesichtspunkte bei nur einem Beweisanzeichen, bricht seine gesamte Beweiswürdigung revisionsrechtlich gesehen in sich zusammen: das Urteil muss aufgehoben werden. Im zweiten bzw. dritten Rechtsgang wird das FG nun zu prüfen haben, ob die Banken sich nicht anderweit abgesichert hatten. Auf jeden Fall erscheint diese Kreditsituation ungewöhnlich und durchaus nicht typisch zu sein.
Quelle: BFH online
Fundstelle(n):
QAAAF-11464