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Online-Nachricht - Freitag, 02.05.2014

Verfahrensrecht | Zum Antrag auf schlichte Änderung einer Einspruchsentscheidung (FG)

Sobald die verfahrensrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen aus § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a, S. 3 AO vorliegen, ist das Ermessen der Verwaltung dahingehend reduziert, dass die Durchführung der beantragten Änderung die einzige ermessensgerechte Entscheidung ist (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO in der hier allein in Betracht kommenden Variante des Buchst. a) darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO greift auch in Fällen ein, in denen die Steuerfestsetzung, deren Änderung begehrt wird, durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert wurde (§ 172 Abs. 1 S. 2 AO). Dann ist eine sog. schlichte Änderung der Festsetzung gem. § 172 Abs. 1 S. 3, 1. Hs. AO auch ohne Klageerhebung möglich, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist der Änderung zugestimmt oder seinen Antrag gestellt hat.
Sachverhalt: Der Kläger war an einer GmbH beteiligt. Im Streitjahr 2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. In seiner Steuererklärung hatten die Kläger einen Veräußerungsverlust geltend gemacht. Mit der Begründung, dass eine Berücksichtigung des Verlustes noch nicht in Betracht komme, da die GmbH ausweislich der Bilanz noch über Vermögen verfüge, war im Steuerbescheid die Einkommensteuer  ohne Ansatz des Verlustes festgesetzt worden. Gegen diesen Bescheid legte die Kläger Einspruch ein. Das Finanzamt forderte den Kläger daraufhin zur Begründung auf, weshalb aus seiner Sicht bereits 2010 der Auflösungsverlust hinreichend konkretisiert sei. Eine Stellungnahme hierzu blieb aus. Das Finanzamt wies den Einspruch daher mittels Einspruchsentscheidung zurück. Dabei führte es u.a. aus, dass eine Verlustberücksichtigung im Streitjahr nur durch Vorlage einer Bestätigung des Insolvenzverwalters, dass der Gesellschafter nicht mit Zuteilungen oder Rückzahlungen  rechnen könne, nachgewiesen werden könne. Innerhalb der Klagefrist reichte der Kläger nun ein entsprechendes Schreiben des Insolvenzverwalters nach und beantragte eine Änderung nach § 172 AO. Diesem Antrag entsprach das Finanzamt nicht.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Aus dem Gesetzeswortlaut „…geändert werden, soweit […] seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird“ folgt, dass die Norm nur eine punktuelle Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung ermöglichen soll. Die Behörde muss daher in die Lage versetzt werden zu erkennen, wie weit ihre – punktuelle – Änderungsbefugnis reicht; darum muss sie wissen, wie weit der Antrag geht.

  • Daraus folgt jedoch gleichzeitig im Umkehrschluss, dass die nicht fristgebundene Begründung des Änderungsantrags nachgereicht werden kann; außerhalb der Einspruchs- oder Klagefrist kann der Steuerpflichtige also noch Argumente oder Nachweise zur Begründung eines rechtzeitig gestellten, hinreichend konkreten Änderungsantrags nachträglich vorbringen und ergänzen.

  • Der erkennende Senat ist mit der herrschenden Ansicht zwar der Meinung, dass (auch) § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO der Finanzverwaltung ein Entschließungsermessen einräumt, eine Änderung durchzuführen oder davon abzusehen. Darüber hinaus ist der Senat allerdings der Auffassung, dass wegen des engen und gesetzlich vorgeprägten Ermessenskorridors für die Verwaltung kaum Fallgestaltungen verbleiben, in denen bei Vorliegen der gesetzlichen Änderungsvoraussetzungen das Absehen von einer Änderung ermessensgerecht erscheinen würde.

Anmerkung: Nach Auffassung des erkennenden Senates wäre es eine nicht hinnehmbare und auch grundlose Abweichung von dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wenn das Finanzamt im Falle eines begründeten Antrags auf schlichte Änderung ein Wahlrecht dahingehend hätte, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen oder eine Steuerfestsetzung in gesetzeswidriger Höhe aufrechtzuerhalten. Nach dieser Rechtsauffassung hatte das Finanzamt im Streitfall dem Änderungsantrag des Klägers zu Unrecht nicht entsprochen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit a AO lagen vor. Der Kläger hat vor Ablauf der Klagefrist einen schlichten Änderungsantrag gestellt, die Festsetzungsfrist war noch nicht abgelaufen und die Einkommensteuerfestsetzung war im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung des Verlustes rechtswidrig.
Quelle: FG Köln online
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen, denn die Klärung der Rechtsfragen, ob der Finanzbehörde Ermessen zusteht und ob bzw. inwieweit eine Entscheidung des Finanzamtes nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO gerichtlich überprüfbar ist, sei im Interesse der Allgemeinheit erforderlich. Ein Aktenzeichen des BFH wurde noch nicht veröffentlicht. Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
 

Fundstelle(n):
VAAAF-11296