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Online-Nachricht - Dienstag, 29.04.2014

Vertragsrecht | Bundesgerichtshof sichert Anwendung des AGB-Rechts (BGH)

Die Vereinbarung zweier Vertragsparteien, über jede Vertragsklausel sei ausgiebig und ernsthaft verhandelt worden, führt nicht per se zum Ausschluss der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ().

Hintergrund: Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt; sie liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (§ 305 Abs. 1 BGB). In der Praxis wird häufig versucht, über die Behauptung, der Vertrag sei im Einzelnen ausgehandelt, das Recht der AGB auszuschließen.
Sachverhalt: Die gegen eine Bank als Bürgin klagende Bauträgerin hatte mit einem Generalunternehmer einen Generalunternehmervertrag (GU-Vertrag) mit einem Volumen von 18,4 Mio. € geschlossen. Im Verhandlungsprotokoll zum GU-Vertrag war folgendes geregelt: „Der AN bestätigt ausdrücklich, dass im Rahmen der Verhandlungen zum GU-Vertrag über jede Vertragsklausel ausgiebig und ernsthaft mit dem AG diskutiert und verhandelt wurde. Der AN ist sich mit dem AG darüber einig, dass es sich bei dem Vertrag um einen Individualvertrag handelt“. Entscheidungserheblich war vorliegend, ob diese Regelungen wirksam waren. Denn der GU-Vertrag enthielt eine Sicherungsklausel, die – wenn man auf sie das AGB-Recht anwendete – unwirksam wäre mit der Folge, dass die Bürgschaftsklage erfolglos bliebe.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

  • Der Verwender vorformulierter Klauseln kann sich zur Darlegung eines Aushandelns (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über die Klauseln „ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde“.

  • Mit dem Schutzweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) ist es weiterhin nicht zu vereinbaren, wenn Vertragsparteien unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB die Geltung des AGB-Rechts ausschließen.

  • Eine solche Vereinbarung kann vielmehr auf der wirtschaftlichen Überlegenheit einer Vertragspartei beruhen, die unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen ihre Gestaltungsmacht einseitig verwirklicht. Dem will das AGB-Recht entgegenwirken, indem es nur unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB von einer Inhaltskontrolle absieht.

Anmerkung: Für das Vorliegen eines Aushandelns im Einzelnen ist es nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass der Verwender die vom Gesetz abweichenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Diese Umstände hat der Verwender im Prozess darzulegen.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg

Fundstelle(n):
HAAAF-11292