Umsatzsteuer | Einschränkung der Pflicht zur Vorfinanzierung (BFH)
Soweit ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, ist er bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Umsatzsteuerrechtlich müssen Unternehmer im Rahmen der sog. Sollbesteuerung ihre Leistungen bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung versteuern. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die ihm zustehende Vergütung - bestehend aus Entgelt und Steuerbetrag - bereits vereinnahmt hat. Die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer entfällt gem. § 17 UStG erst dann, wenn der Unternehmer seinen Entgeltanspruch nicht durchsetzen kann. Anders ist es bei der Istbesteuerung. Dort werden solche Liquiditätsnachteile von vornherein dadurch vermieden, dass der Steueranspruch erst für den Voranmeldungszeitraum der Entgeltvereinnahmung entsteht. Zur Istbesteuerung sind allerdings nur kleinere Unternehmen und nicht bilanzierende Freiberufler berechtigt.
Sachverhalt: Der Streitfall betraf einen Bauunternehmer, für dessen Leistungen Gewährleistungsfristen von zwei bis fünf Jahre bestanden. Die Kunden waren vertraglich bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist zu einem Sicherungseinbehalt von 5 bis 10% der Vergütung berechtigt. Der Kläger hätte den Einbehalt nur durch Bankbürgschaft abwenden können, war aber nicht in der Lage, entsprechende Bürgschaften beizubringen. Finanzamt und Finanzgericht sahen den Kläger im Rahmen der Sollbesteuerung als verpflichtet an, seine Leistung auch im Umfang des Sicherungseinbehalts zu versteuern. Eine Uneinbringlichkeit liege entsprechend bisheriger Rechtsprechung nicht vor, da die Kunden keine Mängelansprüche geltend gemacht hätten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Die Klägerin ist dem Grunde nach zu einer Berichtigung des Steueranspruchs für die von ihr erbrachten Leistungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt.
Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG dann, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann
Kann der Unternehmer das Entgelt für seine bereits erbrachten Leistungen aus Gründen, die bereits bei Leistungserbringung vorliegen, für einen Zeitraum über zwei bis fünf Jahre nicht vereinnahmen, ist von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.
Eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Istbesteuerung unterliegen, wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.
Darüber hinaus wäre die Verpflichtung zu einer mehrjährigen Vorfinanzierung der Umsatzsteuer mit Blick auf die dem Unternehmer zukommende Aufgabe, "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen, unverhältnismäßig.
Anmerkung: Die Sache war nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Sicherungseinbehalte Entgelte nicht vereinnahmen konnte. Soweit sie den Verträgen zufolge eine vollständige Zahlung bereits mit der Leistungserbringung für den Fall beanspruchen konnte, dass sie die Gewährleistungsansprüche ihrer Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft sicherte, kommt es auch darauf an, ob ihr eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich war.
Zu prüfen ist schließlich , ob die Klägerin im Streitjahr eine Steuerminderung für in Vorjahren erbrachte Leistungen geltend gemacht hat, die dann aber nur zu einer Berichtigung im Jahr der Leistungserbringung führen könnte.Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
RAAAF-10927